Manuel Karger war ein erfolgreicher Hobby-Triathlet mit beeindruckenden Leistungen bei internationalen Rennen. Dann infizierte er sich im Dezember 2020 mit dem Corona-Virus und leidet seitdem an den sogenannten Long Covid Folgen der Viruserkrankung. Der 35-jährige Familienvater kann keinen Sport mehr treiben und möchte andere Sportler für das Thema sensibilisieren.
Hiobsbotschaft an Weihnachten
An den Zeitpunkt der Hiobsbotschaft kann sich Manuel Karger noch genau erinnern. „Es war an Heiligabend um 16:30 Uhr als meine Frau und ich erfuhren, dass unser Covid-19 Test positiv war“, schildert der Oberschöllenbacher. „Zu dem Zeitpunkt habe ich mir aber nichts groß dabei gedacht und bin davon ausgegangen, dass die Sache in ein paar Tagen wieder vergessen ist.“
Doch es sollte anders kommen. Manuel fühlte sich schnell kränklich, schlaff und zeigte die typischen Grippesymptome. „Und es war leider nicht nach ein paar Tagen vorbei“, blickt er zurück. Nach zwanzig Tagen Quarantäne zu Hause ging es ihm immer noch mies und es wurde erneut ein Test vorgenommen. Wieder positiv! Auch danach sollte sich keine Besserung einstellen, die Symptome blieben, heftige Gelenk- und Muskelschmerzen sowie ein Brennen in der Brust quälten den jungen Vater einer zweijährigen Tochter. Ein weiterer Test am 28. Januar war wiederum positiv.
#15 Stunden Training in der Woche waren normal, um in seinem geliebten Sport erfolgreich zu sein.
Erst im Februar wurde Manuel zum ersten Mal wieder negativ getestet, doch die Leidensgeschichte war damit keineswegs vorbei. Zwar wurden die Symptome milder und Manuel versuchte ab Mitte März wieder zur Arbeit zu gehen, doch diesen Versuch musste er nach vier Wochen geknickt und völlig geschwächt wieder aufgeben.
Arbeiten wegen Long Covid Folgen unmöglich
„Ich benötigte jedes Mal das komplette Wochenende, um mich nur einigermaßen von der restlichen Woche zu erholen“, schildert er im Gespräch mit Rennrad-News. „An ein normales Leben ist überhaupt nicht zu denken. Ich fühle mich schlapp, schwach, abgeschlagen, kaum dazu in der Lage etwas zu machen.“ Was genau er hat, kann ihm zu der Zeit niemand sagen. Doch er bleibt aktiv, sucht nach Fachärzten, lässt sich auf eigene Kosten sportmedizinisch untersuchen. Alles ohne greifbares Ergebnis: „Alle Organe sind gesund, es kann kein einzelnes gravierendes Problem erkannt werden.“
„An ein normales Leben ist überhaupt nicht zu denken. Ich fühle mich schlapp, schwach, abgeschlagen, kaum dazu in der Lage etwas zu machen.“
Manuel Karger
Im Mai wird er schließlich als Long Covid Patient eingestuft und wartet derzeit auf eine Reha-Maßnahme, die im Oktober stattfinden soll. Was dort genau passieren wird, weiß er nicht. „Die Situation ist sehr schwierig“, bedauert er. „Man erhält als Betroffener sehr wenig Hilfe, muss viel Eigeninitiative zeigen, um überhaupt mal gefühlt einen Schritt weiterzukommen.“
Aktuell ist er krankgeschrieben, an einen normalen Tagesablauf ist kaum zu denken, der geliebte Sport in weite Ferne gerückt. „Vor meiner Erkrankung habe ich rund 15 Stunden die Woche trainiert – mit großer Freude!“, schildert er. „An Radfahren oder Laufen ist aktuell überhaupt nicht zu denken, lediglich schwimmen kann ich hin und wieder mal an einem guten Tag. Allerdings im Schneckentempo!“
Es ist auch mental sehr schwierig positiv zu bleiben, aber Manuel gibt die Hoffnung nicht auf und will wieder Sport treiben können. Viele Ärzte hätten ihm gesagt, dass er es nur seinem exzellenten Fitness-Zustand vor der Infektion zu verdanken habe, dass er nicht auf der Intensiv-Station gelandet sei. So versucht er sich daran zu halten und eines Tages wieder dahin zu kommen.
Gefahr nicht unterschätzen!
Und er möchte andere Menschen, gerade auch Sportler, auf die Gefahren aufmerksam machen: „Man darf Covid-19 nicht auf die leichte Schulter nehmen! Freilich bleibt die Erkrankung bei vielen Menschen sehr mild und ohne Folgen, aber ich habe bei mir persönlich einen ganz anderen Verlauf erlebt. Und ich habe in den letzten Monaten viele Menschen, darunter auch Leistungssportler, getroffen, denen es leider ähnlich ergeht.“
#Training war zu jeder Jahreszeit angesagt, im Moment ist an Radfahren leider nicht zu denken.
Manuel Karger ist nicht der einzige Sportler, der von den Folgen einer Covid-Infektion betroffen ist, auch einige Radprofis wurden in den vergangenen Monaten positiv getestet. Selbst im besten Fall, wenn also keine Symptome zu erkennen sind, raten Ärzte vor einem zu schnellen Einstieg ins Training ab. Eine Ruhepause sei unerlässlich, danach ein langsamer Wiedereinstieg ins Training, am besten unter ärztlicher Überwachung.
Habt ihr Erfahrung mit der Sport-Aufnahme nach einer überstandenen COVID-19 Infektion – war die medizinische Hilfe darauf eingerichtet?
Die Meisten kennen Paul Voß als Tour de France-Co-Kommentator. Aber der Ex-Punkte-Trikot-Träger ist auch aktiver Gravel Rennfahrer und hat die Schotterstraßen zu seiner neuen Heimat gemacht. Vor kurzem fuhr er zum ersten Mal beim großen US-Gravel-Rennen Belgian Waffle Ride aufs Podium. Gerade hat er ein neues Bikepacking-Video rausgebracht. Wir haben mit ihm über Gravel-Rennen gesprochen und auch nach der Zukunft in Deutschland gefragt.
Jan, Rennrad-News: Du bist beim Belgian Waffle Ride in Utah, USA, aufs Podium gefahren. Glückwunsch dazu erst einmal. Ich persönlich, als Klassikerfan, mag ja den Titel. Das Rennen startete bereits vor 10 Jahren zum ersten Mal und gilt als eine Hommage an belgische Frühjahrsklassiker. Es enthält traditionell viele „Offroad-Sektoren“ anstatt der Kopfsteine und Hellingen und es werden Belgisches Bier und Waffeln gereicht. Inzwischen ist es eine ganze Rennserie mit vier Austragungsorten. Du bist das Event in Utah gefahren, das über 209 km führt. Man kennt dich eher als Bergfahrer, denn als Klassikerspezialist. Wie lief es? Wer waren deine härtesten Gegner?
Paul: Das Rennen lief eigentlich zu 80 Prozent auf Gravel, der Rest war Straße. Wir sind gleich sportlich losgefahren. Nach ungefähr 35 km habe ich mich dann entschieden, eine Vorentscheidung herbeizuführen. Ich bin dann bei der ersten Gravel Passage, die auch ein bisschen technisch war, mit Sand, etwas Windkante, direkt von vorne gefahren. Das hat dann auch gleich eine Gruppe aus dem Feld gelöst. Wir kamen dann aus diesem Stück mit vier Fahrern raus, der spätere Gewinner Peter Stetina, der Zweite Griffin Easter und noch ein anderer Fahrer.
Diashow: Paul Voß im Interview zu Gravel Rennen: „Das Inklusive ist das Tolle!“
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#Der Belgian Waffle Ride in Utah ist eines von vier Rennen der Serie - Paul Voß fuhr auf den dritten Platz, auch dank seiner Fahrtechnik, ist er sicher.
#Das Tolle an den Gravel Rennen in den USA? - „Das Inklusive“, sagt Paul.
Wenig später bin ich leider gestürzt, weil ich mit meinem Vorderrad das Hinterrad von einem anderen Fahrer berührt habe. Durch den Sturz, der viel Zeit gekostet hat, bin ich dann in einer zehn oder zwölf Mann starken Gruppe gelandet. Es gab immer wieder Attacken, das Tempo war hoch, es gab einen Anschluss. Ungefähr bei Kilometer 120 haben Stetina und Griffin das Tempo noch mal richtig erhöht und wir konnten uns wieder zu viert absetzen, später zu sechst. In den letzten schweren Anstieg sind wir dann zu sechst gefahren. Der war 4 km lang und im Schnitt 9 % steil, aber eigentlich über 3 km so um die 10 % bis 14 % knonstant steil, auf Schotter. Meine Übersetzungen waren auf jeden Fall hart an ihrer Grenze, und ich konnte den beiden nicht mehr folgen
In der Abfahrt, auf dem technischen Stück konnte ich dann wieder zwei Fahrer einholen. Ich wusste, dass ich auf den technischen Passagen besser sein werde, von daher habe ich mich am Anstieg auch vorher darauf konzentriert, mein eigenes Tempo zu fahren. Die Abfahrt war dann 4 km Singletrail, die man auch eher mit dem MTB hätte fahren können. Da habe ich dann alle wieder überholt, sogar den Zweitplatzierten, der aber wieder auf dem Asphalt aufschließen konnte. Am Schluss hatte ich dann Krämpfe und konnte ihn nicht halten, da merke ich dann doch, dass mir die Rennhärte fehlt, durch die wenigen Rennen, die ich habe.
Am Ende bin ich aber jetzt mit dem dritten Platz mega happy. Da hat sich die US-Reise definitiv schon gelohnt.
#Peter Stetina fuhr auf Platz Eins, Griffin Easter auf Platz Zwei.
Gab es noch andere Fahrer*innen aus D im Rennen?
Ich war der einzige deutsche Fahrer vor Ort. Es waren eigentlich nur Amerikaner*innen und Kanadier*innen am Start.
Du bist in dieser Saison richtig ins Gravel Rennen eingestiegen und fährst sozusagen eine Renntournee in den USA. Wie anders ist das als Profi-Rennen?
Da drüben ist es auf jeden Fall komplett anders, als es in Europa ist. Die Rennen sind richtige Rennen. Es ist nicht wie bei uns, wo Rides ja eher Events sind (zum Beispiel der Gravel Fondo oder die Schwalbe Gravel Games, Anmerkung der Redaktion). Es geht in den USA wirklich um die Performance, da braucht man auf jeden Fall das richtige Equipment. Es ist alles ähnlich, wie es bei Straßenrennen ist.
Inklusiver ist es aber auf jeden Fall auch. Es gibt ungeschriebene Gesetze, die jeder befolgt. Dadurch gibt es mehr Kameradschaft, Unterstützung und Zusammenhalt und man versucht, sich nicht gegenseitig fertig zu machen.
Unterscheiden sich Gravel-Rennen dort untereinander stark?
Ja, die unterscheiden sich schon stark voneinander. Der Belgian Waffle Ride in Utah war schon großteils ein klassisches Gravel-Rennen, dennoch waren auch viele harte Singletrails dabei und etwas Asphalt. Der Belgian Waffle Ride in San Diego führte zum Beispiel dagegen über sehr, sehr viel Asphalt. Von daher: Es gibt schon große Unterschiede.
Deshalb finde ich es auch schwierig, Graveln so in eine Schublade zu stecken. Jedes Gebiet auf der Welt hat ja seine eigene Topograhie und Gravel-Belagsarten. Es gibt echte Highspeed-Kurse, bis hin zu technisch sehr anspruchsvollen, bis hin zu auch sehr bergigen.
#Bei US-Gravel-Rennen stehen Top-Athleten mit Hobbyfahrer*innen gemeinsam am Start.
Dazu kann ich eigentlich nicht viel sagen, weil ich nicht weiß, welche Rennen es dann letztendlich werden. Ich weiß aber schon, dass wahrscheinlich keins der großen internationalen Rennen Teil dieser Serie sein wird. Wenn es dann so eintritt, kann man auf jeden Fall die sportliche Relevanz infrage stellen. Ich werde mir das angucken und dann entscheiden, ob ich mich für die WM qualifizieren will oder ob ich wieder dieses amerikanische Programm fahre und dann ein paar europäische Bikepacking-Events fahren werde, wie ja zuletzt das Badlands. Das macht mir einfach auch sehr viel Spaß.
Glaubst du, es wird auch in Deutschland mehr Gravel Rennen mit Massenstart und Zeitnahme geben? Welche Kandidaten siehst du, wenn?
Ich denke, dass sich in Deutschland in Zukunft etwas entwickeln wird. Ich merke von meinen Partner*innen auf jeden Fall, dass das Interesse da ist. Es braucht einfach diesen einen initialen Anstoß in diesem Stadium von ein, zwei Veranstaltungen, die es ein wenig größer aufziehen, damit man in Gang kommt. Ich habe auf jeden Fall Bock, mich zu engagieren. Und vielleicht kann man ja im nächsten Jahr schon irgendwas auf die Beine stellen. Auf jeden Fall glaube ich, dass die Zeit reif ist, und man muss es jetzt einfach mal machen.
In den Staaten sind die Events riesengroß, vergleichbar mit einem Ironman oder auch einem Marathon. Das ist dieses Inklusive, dass du mit den Top-Athleten am Start stehst und auch die gleiche Strecke fährst. Das ist das Tolle am Gravel Sport, wie er dort ausgeübt wird.
#Der Belgian Waffle Ride in Utah besteht zu 80 % aus Gravel, sagt Voß.
Im Jahre 1818 soll eine Gruppe um Karl Drais, Erfinder des Laufrades, auf Draisinen von Mannheim nach Paris gerollt sein – zu Werbezwecken für die neue Erfindung. Ob diese Story stimmt, wollten zwei Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln herausfinden. Auf zwei Laufrad-Nachbauten machten sie sich auf die 700 Kilometer lange Strecke von Mannheim nach Paris. Wolfram Lotze (Text) und Dennis Stratmann (Fotos) fuhren – pardon: liefen – eine Etappe mit.
Wir könnten genauso gut nackt oder als Clowns verkleidet durch die Gegend laufen – die erstaunten Blicke wären dieselben.
Achim Schmidt
Diashow: Mit dem Laufrad nach Paris: ‚Nen Wolf geradelt
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#Botschafter einer längst vergangenen Epoche - oder einfach tollkühne Männer auf ihren rollenden Kisten?
„Wir könnten genauso gut nackt oder als Clowns verkleidet durch die Gegend laufen – die erstaunten Blicke wären dieselben“, sagt Achim Schmidt und rückt den Zylinder zurecht. Dabei wirkt er mit seinem eleganten Anzug, dem Frack und seiner Kopfbedeckung wie ein Edelmann aus vergangenen Zeiten. Genau wie Frank Hülsemann: Mit seinem Outfit aus weißem Leinenhemd, Weste und Kniestrümpfen kommt er etwas rustikaler, aber auch sehr vornehm daher. Das Besondere ist aber nicht die Kleidung, sondern ihr Unterbau: Die beiden bewegen sich auf Nachbauten historischer Laufmaschinen. In 15 Etappen wollen sie die 700 Kilometer lange Strecke vom Startort in Mannheim zum Ziel in Paris rollen. Auf alten Postrouten, matschigen Nebenstrecken und bisweilen abenteuerlichem Geläuf. Sie möchten am eigenen Körper erfahren, ob die vermutlich erste mehrtägige Radreise der Weltgeschichte im Jahre 1818 tatsächlich so stattgefunden hat.
Alles sollte so originalgetreu sein wie möglich. Das Vehikel, die Kleidung, die Nahrung.
Es gibt zwar Aufzeichnungen aus dieser Zeit, aber keine Beweise. Sicher ist nur, dass die Laufräder damals in Paris ankamen. Radreise oder Legende? Das möchten Hülsemann und Schmidt herausfinden. Die beiden sind ambitioniert, aber nicht übereifrig. Hülsemann: „Wir sind hier auf keiner Mission unterwegs! Uns interessiert einfach die Frage, ob eine solche Reise möglich war.“
#Zumindest ein Teil der Nahrung lässt sich nah am Original halten.
#„Da ist heutzutage kein Mensch weit und breit, und da waren vor 200 Jahren mit Sicherheit auch keine Zuschauer“, sagt Hülsemann – er glaubt, dass 1818 nur die Städte durchfahren wurden.
Die Idee zu der Abenteuer-Tour stammt von Frank Hülsemann. Er hat schon mehrere Ausdauerprojekte mit historischem Hintergrund umgesetzt, absolvierte etwa einen Staffellauf auf alten Inkarouten oder fuhr mit dem Mountainbike 6.000 Höhemeter auf den Ojos del Salado in Chile, den höchsten Vulkan der Erde. Mit Achim Schmidt, der eine Karriere als Radrennsportler hinter sich hat und bundesweit als Rad-Experte anerkannt ist, fand er den idealen Partner.
Warum die beiden ausgerechnet im wetterwendischen März unterwegs sind? „Weil die Radreise 1818 auch um diese Zeit stattfand“, erklärt Hülsemann. Schon nach drei Tagen auf dem Laufrad kommen Hülsemann und Schmidt aber Zweifel, ob die Laufräder anno 1818 die Strecke wirklich durchgefahren sind. Heute zum Beispiel rollen die Beiden stundenlang am menschenleeren Rhein-Marne-Kanal entlang und auf steinübersäten, tiefen Feldwegen. „Da ist heutzutage kein Mensch weit und breit, und da waren vor 200 Jahren mit Sicherheit auch keine Zuschauer“, so Hülsemann. Seine Vermutung: Die damalige Expedition lud die Laufräder jeweils in die Kutsche und packte sie nur aus, um durch die Städte zu fahren. „Die wollten ja Werbung für ihre Laufmaschinen machen“, so Hülsemann. Da werden die sich nicht tagelang über Äcker und Waldwege gequält haben.“ Das aber ist kein Hinderungsgrund für die beiden Kölner, es nicht doch auf den alten Postrouten zu versuchen.
#Hülsemann und Schmidt haben die Familie mit Kindern und modernen Laufrädern mitgenommen - die Etappen wurden auf familienfreundliche 40 km gekürzt.
#Dennoch fordert die Strecke ihren Tribut - wer seinen Hintern liebt, der schiebt.
#Unterhalten können sich die Beiden nur in Pausen.
#Sonst ist der mörderische Lärm der Stahlreifen nicht zu übertönen.
Hülsemann und Schmidt haben sich für ihre Aktion Urlaub genommen, Frau und Kinder in zwei Wohnmobile gepackt und sich auf die Abenteuerreise begeben. An diesem Morgen stehen sie am Freibad in Sarrebourg im östlichen Lothringen. Während die Kinder im Matsch spielen, checken Schmidt und Hülsemann ihre Laufräder. Rasch noch die Messingnabe poliert, die Reibscheibe mit Molybdänsulfid geschmiert und die Transporttaschen gefüllt – schon sind die Laufräder wieder einsatzbereit. Vorgestern mussten sich die beiden Laufradfahrer noch über den Zaberner Berg quälen und die schweren Maschinen durch knöcheltiefen Schlamm schieben. Heute dagegen warten überwiegend asphaltierte Straßen und trittfeste Feldwege auf die zwei Abenteurer. Wer sie irgendwann aus den Augen verliert, muss nur die Ohren spitzen: Die Stahlummantelung der Holzräder macht einen mörderischen Lärm, gerade auf Feldwegen. Die Räder sind so laut, dass sich Hülsemann und Schmidt nur in den Pausen unterhalten können. Davon gibt’s einige – auch unfreiwillig.
„Nach einer Stunde auf dem Sitzbrett tut einem alles weh“, sagt Schmidt, der unter der Nadelstreifenhose längst eine professionelle Rennradhose trägt. Vorsorglich hatte er kurz nach dem Tourstart einen Teil des Rosshaares entfernt, mit dem sein Ledersitz gepolstert ist – damit’s nicht so drückt. Vergebens. An der Rahmenhöhe liegt es nicht. Sie richtet sich, wie heutzutage auch, nach der Schrittlänge. Aussparungen wie in modernen Sätteln bietet der Laufrad-Nachbau indes nicht.
„Straßburg ist für Radfahrer überhaupt ein ideales Pflaster. So gut sind wir nie wieder vorangekommen.“
Mit ihren Laufrädern und dem antiken Outfit wirken Schmidt und Hülsemann wie die Botschafter einer längst vergangenen Zeit. Wo immer sie mit ihren Draisinen durchrumpeln, machen die Passanten große Augen. Viele Autofahrer winken, einige hupen aufmunternd – und alle bewundern das Wagnis, mit solch antikem Gefährt durch die Gegend zu rollen. „Bei der Fahrt durch Straßburg haben uns ganz viele Rennradfahrer angesprochen, uns Mut gemacht und zugerufen, wie toll sie unsere Aktion finden“, berichtet Schmidt. „Straßburg ist für Radfahrer überhaupt ein ideales Pflaster. So gut sind wir nie wieder vorangekommen.“
#Nicht nur die Strecke, auch das Material hat seine Tücken.
#Regelmäßige Schmierung war damals noch wichtiger als heute.
#Aber gegen die alten Sättel ist kein Kraut gewachsen.
Ursprünglich wollten die beiden pro Tag zwischen 50 und 70 Kilometer Strecke schaffen. Doch schon die erste Etappe erwies sich als schwierig – sie kamen erst gegen 21.30 Uhr und damit weit nach Einbruch der Dunkelheit bei ihren Familien und Wohnmobilen an. Da das ganze Projekt auch als Familien-Urlaub angelegt ist, verkürzten sie die Etappen auf etwa 40 Kilometer und legten besonders unattraktive Streckenteile im Wohnmobil zurück.
Sicher ist nur, dass die Holzradler damals ohne professionelle Polsterung unter der Stoffhose fuhren.
Der sportliche und historische Wert ihres Unterfangens wird dadurch nicht geschmälert. „Wir wollten beweisen, dass es technisch möglich ist, diese Strecke auf dem Laufrad zurückzulegen“, betonen Hülsemann und Schmidt. Ihr Resümee: „Prinzipiell ist das machbar.“ Schmidt musste übrigens der Grippewelle Tribut zollen und die Tour krankheitsbedingt nach neun Tagen verlassen. Hülsemann blieb gesund und lief durch bis ins Ziel.
Ob die Laufradfahrer anno 1818 nun tatsächlich durchgefahren oder nur Teilstücke abgelaufen sind, bleibt im Dunkeln. Sicher ist nur, dass die Holzradler damals ohne professionelle Polsterung unter der Stoffhose fuhren. Der abendliche Schmerz im Lendenbereich dürfte damit deutlich ausgeprägter gewesen sein als anno 2018…
#Die beiden Fahrer brachten außerdem bereits eine ausgezeichnete Grundkondition mit.
Wie die Laufräder entstanden
Zwölf Monate plante und baute Frank Hülsemann nach Originalvorlagen die beiden Laufräder. Unterstützung erhielt er vom Technomuseum Mannheim, Handwerkern (darunter Wagner und Schreiner) und Mitarbeitern des Instituts für Biomechanik der Deutschen Sporthochschule. Die Räder bestehen aus Eschenholz, wiegen jeweils um die 25 Kilo und verfügen über eine mechanische Hinterradbremse – die sich allerdings gerne mit Steinen zusetzt. Den GAU gab’s zwei Tage vor dem Start der Expedition: Bei Hülsemanns Laufrad brach der vordere Hauptträger (heute als Gabel bekannt). Mit zwei massiven Stahlplatten, einigen Schrauben und handwerklichem Geschick war der Bruch aber rasch und dauerhaft repariert.
Über die Fahrer Schmidt und Hülsemann
Dr. Achim Schmidt lehrt am Institut für Natursport und Ökologie der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHK), Dr. Frank Hülsemann ist Chemiker und am Institut für Biochemie der DSHK tätig. Beide sind ehemalige Leistungssportler – Schmidt im Straßenradsport, Hülsemann im Mittelstreckenlauf – und fast jeden Tag sportlich aktiv.
Marcel Meisen ist frisch gekürter Deutscher Cyclo-Cross Meister – sein siebter Titelgewinn. Wir haben mit dem derzeit auch international erfolgreichsten deutschen CX-Profi über das Rennen in Luckenwalde, die bevorstehende Weltmeisterschaft und die Zukunft des Cyclo-Cross-Sports in Deutschland gesprochen – und zeigen Fotos vom Rennen.
Rennrad-News: Hallo Marcel, herzlichen Glückwunsch erst Mal zum Gewinn der Deutschen Meisterschaft im Cyclo-Cross. Du hast gestern deinen sechsten Titel im Folge und den siebten insgesamt geholt – freut man sich da noch?
Marcel Meisen: Ja, auf jeden Fall. Es ist immer etwas Besonderes, wenn man das Deutsche Meistertrikot in der Saison tragen kann. Für mich hat es auch eine große Bedeutung, weil es in den internationalen Rennen einen Wiedererkennungswert hat. Ich freue mich immer wieder, wenn ich gewinne. Es kann immer etwas schiefgehen, das einen Sieg vereitelt.
Was machst du heute nach dem Rennen?
Nach dem Interview starte ich direkt zur Trainingsfahrt. Ich gehe ein bis zwei Stunden fahren. Ich mache selten Pausen.
Die Deutsche Meisterschaft fand dieses Jahr in Luckenwalde bei Berlin statt, wie würdest du das Rennen und den Kurs charakterisieren?
Dass es unter den Bedingungen der Pandemie überhaupt einen Veranstalter gibt, der die Mühen auf sich genommen hat, so ein großes Event wie die Radcross DM auf die Beine zu stellen, ist schon beachtlich. Wir müssen froh sein, dass das jemand in die Hand genommen hat. Und es war zudem sehr professionell organisiert. Der Kurs hatte Brücken, Treppen, Startampel und alles, was man von einem Rennen auf dem Niveau erwartet – sogar ein UCI Truck als Wettkampfwagen und für die Zeitmessung war vor Ort.
Diashow: Cyclo-Cross Meister Marcel Meisen im Interview: „Bei der Weltmeisterschaft in die Top10“
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#Start der Männer Elite zur Deutschen Cyclo-Cross Meisterschaft in Luckenwalde 2022.
Zum Rennen selbst kann ich offen sagen, dass es für mich jetzt nicht das schwerste Rennen im Jahr war. Das ergibt sich zwangsläufig, wenn nur zwei oder drei Profis mitfahren, die intensiv Cyclo-Cross trainieren. Andere haben sich entschieden, ihre Saison auf das Cape Epic (ein Cross Country MTB-Rennen, Anmerkung der Redaktion) auszurichten.
Der Kurs war einer Deutschen Meisterschaft auf jeden Fall würdig. Die technischen Passagen lagen alle im Sand, hier und da war es ein wenig rutschig, aber nicht übermäßig. Ich habe mich unter diesen Bedingungen für ein mittleres Profil entschieden, was ein wenig auch die „Nummer sicher“ war, lieber etwas sorgenfreier in die Kurve gehen, als das letzte bisschen Speed herausholen, war das Motto. Insgesamt war der Kurs sehr kurvig und schmal – für ein internationales Fahrerfeld wäre der Parcours wohl zu schmal gewesen.
#Marcel Meisen wechselte zu Jahresbeginn von Alpecin-Fenix zu Stevens - statt Canyon Inflite fährt er jetzt Stevens Super Prestige.
Du hast zum Jahreswechsel zum Stevens Racing Team gewechselt und bist mitten in der Saison auf ein neues Rad umgestiegen – ist das ein nahtloser Übergang oder bedeutet es eine große Umstellung, Wout van Aert durfte ja beispielsweise letztes Jahr sein altes Bike weiterfahren?
Es ist zwar nicht perfekt, während der Saison das Rad zu wechseln, aber ich habe mich sehr schnell an das Stevens Super Prestige gewöhnt, ich bin vor der DM zweimal damit Rennengefahren und habe eins gewonnen – ich bin ja in der Vergangenheit auch schon Stevens gefahren.
Was wiegt dein Arbeitsgerät?
Ich meine, so, wie ich es jetzt gefahren bin, 7,4 kg, das ist schon leicht für ein Cyclocross-Bike mit Disc.
Noch 11-fach oder schon 12-fach?
11-fach Shimano Dura Ace Di2 – das werde ich auch noch bis zum Ende der Saison fahren. Selbst wenn ich jetzt vor einem Monat eine 12-fach Gruppe bekommen hätte, würde ich die neue Technik erst einmal ausgiebig testen, bevor ich damit alle Rennen an allen Bikes fahre. Ich glaube, das handhaben die Meisten derzeit so.
In Belgien und den Niederlanden hat Cyclo-Cross so viele Fans wie Fußball. Die Deutsche Meisterschaft wurde nicht im TV übertragen. Immerhin gab in dieser Saison bereits Streams auf YouTube vom Rival Cross in Düsseldorf und München. Wie siehst du die Zukunft des CX-Sports in Deutschland?
Natürlich finde ich es schade, dass es ausgerechnet von der Deutschen Meisterschaft keinen Stream gab, bewegte Bilder spielen eine große Rolle, um den Sport populärer zu machen. Da hat wohl auch die Vorbereitungszeit gefehlt.
#„Für die WM ist mein Ziel, in die Top10 zu fahren.“
Ich sehe aber, dass Cross auch in Deutschland immer beliebter wird. Man sieht immer mehr bekannte Profi-Fahrer, die Lust haben Cyclo-Cross zu fahren. Max Walscheid zum Beispiel hat sich ein Crossrad geholt, Heinrich Haussler ist ein echter Cross-Liebhaber und auch immer mehr Amateure entdecken es als Wintertraining wieder – warum nicht Rennen im Winter fahren? Ich bin mir sicher: Sobald es für die Veranstalter wieder mehr Planungssicherheit gibt, werden auch noch einmal mehr Rennen im Kalender hinzu kommen. Man hat ja beim NRW Cyclo Cross Cup in dieser Saison schon gesehen, dass es mehr Rennen geworden sind.
Nur noch wenige Wochen bis zur Cyclo-Cross Weltmeisterschaft in Fayetteville, USA. Welche Chancen rechnest du dir dort aus?
Für die WM ist mein Ziel, in die Top10 zu fahren und das ist auch im Bereich des Möglichen. Zwar sind jetzt einige neue sehr gute junge Fahrer dazu gekommen, aber ich denke, das geht. Auf der Weltrangliste bin ich schon gut platziert (Platz 16 aktuell, Anmerkung der Redaktion). Wir sind die Strecke ja schon im Weltcup gefahren, das Profil ist schon schwer. Es könnte auch matschig werden, was mir noch mehr entgegen käme. Aber viel hängt vom Wetter ab, es können dort minus fünf Grad oder plus 20 Grad sein, das ist ziemlich unberechenbar. Es wird spannend.
#220109 03338 by Kuestenbrueck GER Luckenwalde NCh CX ME GeislerJ
#Siegererhrung der Männer Elite - mit Jannick Geisler, Marcel Meisen, Yannick Gruner (von links).
#Siegerehrung der Frauen - mit Lisa Heckmann, Elisabeth Brandau, Stefanie Paul auf dem Podium sowie Larissa Luttuschka, Katharina Hinz und Cordula Neudörffer (von links).
Danke für das Gespräch.
Wie seht ihr den Cyclo-Cross Sport in Deutschland?
Gespräch: Jan Gathmann / Fotos: Stevens/Armin M. Küstenbrück
Kateřina Rusá, eine Hobbyradfahrerin Mitte dreißig, fährt doppelt so viele Radkilometer wie viele ihrer Rennrad-Profi-Kolleginnen. In 2021 legte die Tschechin 50.000 Kilometer zurück.
Viele Rennradfahrer*innen dokumentieren ihre Trainingsfahrten in der globalen Sport-App Strava – und am Jahresende werden die Kilometer bilanziert. Die 10.000 gilt als magische Marke. Fünf Mal so viel Kilometer hat die Tschechin Kateřina Rusá, eine Hobbyradfahrerin Mitte dreißig, im Jahr 2021 zurückgelegt: Über 50.000 Kilometer sammelte sie in ihrem Profil auf Strava an.
#„Kat Secteur“ war bei jedem Wetter unterwegs - rund 1.000 km in der Woche saß sie im Sattel.
Damit legt „Kat Secteur“, wie sie sich auf Strava nennt, auch deutlich mehr Kilometer zurück als die meisten Frauen im Profi-Peloton. So fuhr etwa die niederländische Rennfahrerin Annemiek van Vleuten, die als besonders fleißige Kilometersammlerin bekannt ist, zuletzt 30.352 km. Das sicherte ihr den ersten Platz im Jahreskilometer-Ranking der Rennfahrerinnen auf Strava. Die Zweitplatzierte, die Italienerin Erica Magnaldi vom Team Ceratizit, fuhr im vergangenen Jahr 25.471 km.
Auf die außergewöhnliche Leistung von Kateřina Rusá machte jetzt der tschechische Custom-Rennradhersteller Festka per Pressemitteilung aufmerksam. Im Interview mit dem Hersteller rechnet Kateřina vor, dass sie 2021 ein Drittel ihrer Wachzeit im Sattel verbracht hat. Sie saß 2.000 Stunden im Sattel und legte das ganze Jahr über durchschnittlich 1.000 Kilometer pro Woche zurück, unabhängig vom Wetter. Dabei arbeitet sie in einem Vollzeitjob! Die Gesamthöhenmeter ihrer Fahrten entsprechen der achtunddreißigfachen Besteigung des Mount Everest.
#Beeindruckende Zahlen - vor allem, wenn man bedenkt, dass sie neben der Vollzeitarbeit entstanden.
Habt ihr schon ein Kilometerziel für 2022 bei Strava eingetragen oder euch eine bestimmte Leistung vorgenommen?
Gegenüber einem niederländischen Nachrichtenportal hat Mathieu van der Poel angegeben, in diesem Jahr keine MTB-Rennen mehr bestreiten zu wollen. Stattdessen möchte sich das Allround-Talent voll auf die Straßensaison konzentrieren. Erst 2023 möchte er rechtzeitig für die Qualifikation der Olypmischen Spiele in Paris sein MTB-Comeback feiern.
Grund für die MTB-Pause ist der eng bepackte Straßen-Kalender des Niederländers Van der Poel. Aktuell nimmt er am Giro d’Italia teil, später im Jahr stehen die Tour de France und die Straßenweltmeisterschaft auf dem Programm. Nach dem Sturz-Desaster bei den vergangenen Olympischen Spielen in Tokio (alles zum Van der Poel-Sturz in Tokio) ist er 2024 in Paris jedoch auf Revanche aus. Deshalb soll es im kommenden Jahr wieder aufs Mountainbike gehen, um so rechtzeitig die Olympia-Qualifikation zu schaffen.
Für die Qualifikation zählen nur die Ergebnisse der letzten 12 Monate, sodass die mit dem Team Alpecin-Fenix beschlossene Pause keinen Einfluss darauf hat. 2023 wird sich Mathieu van der Poel allerdings im XC World Cup nach vorne kämpfen müssen. Um hier teilzunehmen oder sogar eine gute Startposition zu ergattern, braucht es nämlich World Cup-Punkte. Helfen könnte ihm dabei eine neue Regelung, nach der Fahrer, die in einer anderen UCI-Disziplin in den Top 10 sind – für den Niederländer Cyclocross oder Straßen-Radsport –, zwischen den Plätzen 33 und 40 starten dürfen.
Was sagst du zur Mathieu van der Poels Pause im MTB-Sport?
Jonas‘ Deichmanns Film „Das Limit bin nur ich“ kommt gerade in die Kinos. Er gibt Einblicke in die guten und schlechten Momente, die der Extremsportler bei seinem Triathlon um die Welt erlebte. Wir haben die Dokumentation schon gesehen und uns mit Jonas für ein Interview zusammen gesetzt – viel Spaß mit weiteren Einblicken in diese irre Leistung!
Interview
Rennrad-News.de: Jonas, Du hast einen epischen Triathlon um die Welt hinter Dir. Wie verändert bist Du nach 14 Monaten Triathlon-Abenteuer zurück nach Deutschland gekommen?
Jonas Deichmann: Einerseits bin ich als Fahrradfahrer los und jetzt mehr als ein Radfahrer: Ich bin 460 km geschwommen, obwohl ich kein Schwimmer war, und 120 Marathons gelaufen; einfach weil’s geht! Das ist Kopfsache. Das gibt mir viel Zuversicht und Motivation für zukünftige Projekte. Fahrradfahren wird immer meine Lieblingsdisziplin sein, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, auch noch andere Dinge zu machen. In der Langdistanz geht’s ums Durchhalten!
#Kraulen mit Floß im Salzwasser bei Gegenwind. - Nicht schlecht, dafür dass Jonas "kein Schwimmer" ist. Bild: Jonas Deichmann.
Wie geht das: Kein Schwimmer sein, und dann 460 km im Meer schwimmen?
Ich war tatsächlich schlecht vorbereitet. Natürlich habe ich vorher trainiert (hier findet ihr ein Video zu Jonas‘ Trockentraining in der Pandemie-Zeit), habe dann den Test gemacht und bin der Länge nach durch den Bodensee geschwommen, mit Floß. Aber die Adria ist was anderes als der Bodensee!
Wieso, den nennt man doch auch „das Schwäbische Meer“?
Jaaa, aber ohne Salzwasser, Strömung und Wellen ist das schon was anderes. Jedenfalls bin ich von Tag 1 bis 54 im Wasser circa 25 % schneller geworden. Das liegt nicht daran, dass ich so ein guter Schwimmer geworden bin, sondern daran, dass ich sehr tief gestartet bin.
Diashow: Jonas Deichmann im Interview: „Dieses Jahr bin ich immer noch müde“
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#Während der 54 Tage Schwimmen konnte Jonas seine Geschwindigkeit um 25 % steigern. - nach eigener Aussage ein Beleg dafür, wie schlecht er am Anfang geschwommen ist. Foto: Markus Weinberg
#Was so ein Triathlon um die Welt alles mit sich bringt - eigene Kino-Tour und Bestseller hatte Jonas vorher, trotz diverser Weltrekorde, noch nicht im Sortiment. Bild: DOK.Fest
#Wegen ihm sind diese Leute hier - Jonas Deichmann bei der Premiere im Deutschen Theater. Bild: DOK.Fest
Vermutlich hat sich aber auch abseits des Sports einiges für Dich verändert, oder?
Andererseits hat sich mein Leben enorm verändert. Als ich losgefahren bin, hat mich mein Vater in Teilzeit gemanaged, mittlerweile ist ein Spiegel-Bestseller raus, ein Kinofilm, und wir kommen da kaum noch hinterher!
Am Anfang des Films sagst Du: Es gibt Leistungssportler, die vor etwas weglaufen, und es gibt welche, die auf etwas hin laufen. Worauf läufst Du hin?
Erlebnisse! Darum geht’s mir. Wenn ich Abenteuer mache, dann weiß ich: Irgendwas Tolles, unvorhergesehenes wird passieren. Ob das Begegnungen oder Naturerlebnisse sind – ich komme mit tollen Erinnerungen zurück.
Das heißt: Du wirst nie an dem einen Ziel ankommen, Du kannst ständig Neues erreichen?
Natürlich habe ich ein großes Ziel, und das ist auch wichtig! Die Welt zu umrunden, das motiviert, dafür kämpfe ich. Aber das eigentliche Ziel ist der Weg dahin: die Reise, die Erlebnisse, die ich auf dem Weg mache.
In Mexico hat sich ein richtiger Hype um Dich entwickelt und ein paar Gefühle waren auch im Spiel – waren das die schönsten Momente der Tour?
Mexico ist herausgestochen, und da gab es viele tolle Momente. Die Hündin, La Cocetta, die 3 Tage mit mir mitgelaufen ist. Oder Momente, wo Polizisten mit Maschinengewehr im Anschlag neben mir herrennen… das kann man sich nicht vorstellen, das wird man nie vergessen!
Machen viele unglaubliche Situationen nachher den Reiz des Abenteuers aus?
Ein Abenteuer kann natürlich auch vor der Haustür stattfinden – aber es muss ein bisschen eine Reise ins Ungewisse sein. Ich gehe los und weiß nicht, was passieren wird.
Klingt schön – aber im Film fluchst Du auch ganz schön häufig. Was war das anstrengendste, unschönste Erlebnis der Tour?
Mir war immer klar, dass harte Momente auch dazu gehören. Aber trotzdem bin ich ja auch in den harten Momenten dabei, meinen großen Traum zu verwirklichen. Die härtesten Momente für mich waren Bürokratie-bedingt. In der Türkei festzusitzen und kein Visum zu bekommen. Oder in der Ukraine auf den Pass zu warten, nicht nach Russland einreisen zu können… Wenn ich auf dem Fahrrad nicht vorankomme, ok, liegt an mir. Aber wenn es nicht in meiner Macht liegt, das ist für mich das härteste.
#Bei Sonne mit Rückenwind dahin rollen wäre ja langweilig für die Zuschauer! - Foto: Markus Weinberg
#Polizei-Eskorte und Motivation ohne Ende... - Foto: Markus Weinberg
#... in Mexiko war "Der Deutsche Forrest Gump" nicht lange allein. - Foto: Markus Weinberg
Und welche sportliche Herausforderung war die größte?
Die drei Disziplinen sind natürlich komplett unterschiedlich. Radeln ist prinzipiell die mit Abstand leichteste Disziplin, vom russischen Winter mal abgesehen. Laufen ist für den Körper das härteste, diese Dauerbelastung. Für mich war aber Schwimmen das härteste, das muss ich nicht unbedingt nochmal machen. Körperliche Beschwerden durch das Salzwasser, die Logistik außenrum,… Du bist dauernd hungrig oder hast Durst.
Und ich singe auch gern auf dem Fahrrad.
Selbst kleine Bugwellen bremsen extrem, und man ist super unflexibel einen Schlafplatz zu finden, weil der Bewegungsradius so klein ist. Es hat einen Grund, warum Swim-packing (Mehrtages-Schwimmtouren mit Gepäck, Anm. d. Red.) noch keinen großen Durchbruch hatte!
Im Film sieht man, wie Du Dir an Deinem Geburtstag ziemlich einsam ein paar russische Kekse aus dem Supermarkt „gönnst“. Wie gehst Du mit der Einsamkeit auf einer so langen Tour um?
Die längste Zeit ohne Begleitung waren 6 Wochen, sonst hatte ich ja immer wieder Begleitung von Kamerateam und Co. Ich bin aber auch gern allein unterwegs. Naturerlebnis kann man auch allein genießen. Und ich singe auch gern auf dem Fahrrad.
Was singst du dann?
Auf dem Fahrrad singe ich sehr gerne die Musik aus Forrest Gump und allgemein gern amerikanische Musiktitel, die ein bisschen älter ist, aber eigentlich quer durch. Zum Hören auf dem Fahrrad, gefällt mir auch größtenteils Musik aus den 80ern, das ist für mich so ein Freiheitsgefühl.
Während Du jeden Tag Höchstleistung gebracht hast, hast Du „ganz nebenbei“ auch noch Social Media bedient. Wie ließ sich das in den Tag integrieren?
Ich bin in der sehr glücklichen Position, mein Hobby zum Beruf gemacht zu haben. Für mich gäbe es keinen besseren Job, als Profi-Abenteurer. Das Filmen, Social Media Posts und so weiter, mache ich gern – es gibt aber auch Momente, wo das schwierig ist. Der Regisseur und die Filmcrew haben immer gesagt: Jonas, je schlechter es Dir geht, desto interessanter ist das für den Film, und desto glücklicher sind wir.
Wenn ich locker bei Sonne und Rückenwind durch die Ebene radel: Das interessiert niemanden!
Weil es genau darum geht. Wenn ich locker bei Sonne und Rückenwind durch die Ebene radel: Das interessiert niemanden! Interessant wird es, wenn ich eine Herausforderung habe. Im Schneesturm zu filmen, oder wenn ich eine Lebensmittelvergiftung habe, dann kostet das ganz schön Überwindung.
Hast Du denn wirklich neben dem Spitzensport auch noch abends Dein Instagram bespielt?
Ja. Wobei sich das auch im Lauf der Reise geändert hat, inzwischen kann ich Nachrichten nicht mehr beantworten. Ich bin mit 20.000 Followern losgefahren und jetzt bin ich bei 130.000!
Vor dem Triathlon sind Dir beim Radfahren ja „ein bisschen die Ziele ausgegangen“. Wie kann man diesen Triathlon um die Welt noch toppen?
Es geht mir nicht um „schneller, weiter, höher“. Mir geht’s um Erlebnisse und darum, mich selbst zu challengen. Meine eigenen Rekorde nochmal schneller zu machen, das reizt mich absolut Null. Neue Erlebnisse, neue Erfahrungen, auf jeden Fall! Und die können auch sehr schwer werden. Das nächste Projekt geht wieder um die Welt, es hat so noch niemand gemacht – aber alles andere ist noch streng geheim.
Eine Weltumrundung komplett aus eigener Kraft steht auf meiner Agenda. Aktuell ist aber nicht der richtige Zeitpunkt.
Das heißt Du holst die Weltumrundung ohne Motorkraft noch nach?
Eine Weltumrundung komplett aus eigener Kraft steht auf meiner Agenda. Aktuell ist aber nicht der richtige Zeitpunkt. Aktuell ist das politisch gesehen möglicherweise gar nicht möglich. Solange die Situation in Russland so ist, warte ich erst einmal ab. Aber der Traum bleibt, und das werde ich irgendwann angehen.
Wann startest Du denn ins nächste Abenteuer?
Ende nächsten Jahres. Dieses Jahr bin ich immer noch müde, ruhe mich noch aus und halte noch viele Vorträge. Nächstes Jahr wird dann wieder trainiert, und Ende 2023 geht’s wieder los!
Jonas, vielen Dank fürs Gespräch und alles Gute für die nächsten Abenteuer!
#Die Hitze machte in Mexiko irgendwann die Regeneration im Zelt unmöglich. - Bild: Ravir
#Nachdem er 7 Monate nicht gelaufen war, legte Jonas direkt mit den Marathons los; reihte 120 Stück aneinander. - Foto: Markus Weinberg
#Sieht malerisch aus, ist aber harte Arbeit. - Foto: Markus Weinberg
#Sieht eigentlich ganz einfach aus - von den Schlenkern und den Dimensionen mal abgesehen.
#Das gehört jetzt zum Alltag: Mit der Berühmtheit gehen Pflichten einher - aber die Zeit nimmt er sich gern. Bild: DOK.Fest
#Dieses Jahr wird ausgeruht und viel geredet - in manchen Wochen hält Jonas Deichmann nun bis zu 7 Vorträge. Bild: DOK.Fest
#Die Kombination passt! - Markus Weinberg, der Regisseur und Filmer, war ein Drittel des Triathlons dabei - und zwar die meiste Zeit sogar aus eigener Kraft auf dem Fahrrad! Bild: DOK.Fest
„Das Limit bin nur ich!“ – der Film
Im Interview ist es schon mehrmals angeklungen: Ganz nebenbei wurde auch noch fleißig gefilmt. Wir haben das Ergebnis gesehen und können sagen: Beeindruckend. Wer gehofft hat, durch 1:35 Stunden Dokumentation würde es leichter verständlich, wie Jonas Deichmann zu dieser Leistung in der Lage ist, wird enttäuscht – denn je mehr Einblicke in die Tour man erhält, desto mehr imponiert die Aktion. Genau deshalb ist der Film sehenswert!
Der Film zeigt dabei sehr menschlich und greifbar, welche Hürden sich beim Triathlon um die Welt ergeben – und wie sie überwinden wurden. Der Schlüssel ist dabei Jonas‘ unbedingter Wille, was als Antwort auf die Frage nach dem „Wie?!“ schon fast zu einfach erscheint. Doch den Beweis, dass Jonas Deichmann tatsächlich so bedingungslos abgeklärt ist, den erbringt er mit jedem Kilometer seiner Tour.
Die Premierentour ist ab sofort in Deutschland unterwegs, ab 19.05.22. kommt der Film ins Kino. Wer wissen will, was ihn erwartet, der findet ganz viele Einblicke auch auf der Website zum Film.
Film-Termine und Vorträge mit Jonas Deichmann
Hamburg Film-Event: Sonntag, 15. Mai – 16:45 und 20:00 Uhr, Zeise Kinos, Empfang mit Live Filmmusik 19 Uhr im Kino Foyer Speaker-Event: Sonntag, 5. Juni – 19:30 Uhr, Friedrich-Ebert-Halle
Community Run Köln Community-Run:, Donnerstag, 12. Mai – 18 Uhr, Eckdaten: 6:00er pace; 12 Km, in Kooperation mit RYZON Film-Event: Donnerstag, 12. Mai – 20.45 und 21:15 Uhr – Rex, Empfang 19:30 Uhr im Kino Foyer Speaker-Event: Dienstag, 24. Mai – 19:30 Uhr, Sartory Säle
Berlin Film-Event: Dienstag, 10. Mai – 17:00 und 20:00 Uhr, Zoopalast, Empfang Live Filmmusik 19 Uhr im Kino Foyer Speaker-Event: Freitag, 27. Mai – 19:30 Uhr, Urania Berlin
Erfurt Filmevent: Sonntag, 11. Mai – 20:00 Uhr, Cinestar
Aachen Filmevent: Freitag, 13. Mai – 21:30 Uhr, Cineplex
Münster Filmevent: Samstag, 14. Mai – 18:00 Uhr, Cineplex Get together: ab 21 Uhr im LuMiná Restaurant, Hafenplatz 6, 48155 Münster
Stuttgart Speaker-Event: Dienstag, 31. Mai – 19:30 Uhr, Liederhalle
Frankfurt am Main Speaker-Event: Sonntag, 22. Mai – 19:30 Uhr, Universität
Nürnberg Speaker-Event Donnerstag, 2. Juni – 19:30 Uhr, Meistersingerhalle
Freiburg im Breisgau Speaker-Event: Dienstag, 07. Juni – 19:30 Uhr, Bürgerhaus Seepark
Wer von Euch hat Lust, sich das Abenteuer bequem aus dem Kinosessel anzuschauen oder zu einem der Vorträge zu gehen?
Das Badlands Gravel Rennen gilt mit 785 km und knapp 15.000 Hm als eines der härtesten self supported Ultra-Endurance-Events. Marion Dziwniks hat bereits einmal gewonnen und verfehlte jetzt – das Rennen ging vorgestern zu Ende – das Podium nur knapp. Ihren exklusiven Rennbericht hat sie uns direkt aus Spanien mitgebracht und noch ein paar Fragen zu ihrer Vorbereitung und ihrem Bike beantwortet.
Rennrad-News: Marion, du hast es geschafft! Wie wars?
Marion: Nachts um 3:30 angekommen nach 67 Stunden 41 Minuten – also ungefähr 12 Stunden schneller als letztes Jahr, absolut großartig. Es lief so viel besser. Ich bin zwar unter den Frauen „nur“ Fünfte geworden, aber dieses Jahr gab es wirklich krasse Konkurrenz. Insgesamt bin ich als 27. ins Ziel gekommen.
Diashow: Interview – Marion Dziwniks über Badlands : „Das wären neun Pizzen pro Tag!“ “
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#Marion Dziwniks hat die 785 km des Badlands 2022 in rund 68 Stunden geschafft - 12 Stunden schneller als letztes Jahr, aber diesmal reichte die Zeit nicht für den ersten Platz bei den Frauen.
Der erste Tag hat schon super angefangen, ich war gut drauf und das Wetter war viel besser als letztes Jahr. Diesmal hatte es maximal 25 Grad, letztes Jahr hatten wir teilweise um die 40 Grad. Durchschnittlich war ich ungefähr 2 km/h schneller und bin grundsätzlich super effizient gefahren, habe nur kurze Pausen gemacht und mich Stück für Stück im Feld vorgearbeitet. Ich bin die meiste Zeit in der Nähe von Luisa (Luisa Werner) und Christiana (Christiana Tamburini) gefahren, Lael (Lael Wilcox, Profi-Ultradistanz-Fahrerin) und Cyntia (Cyntia Frazier) sind vorne weggedampft mit schärferem Tempo.
Am ersten Tag habe ich es bis nach Gor geschafft, Kilometer 265. Das ist der letzte Stop vor der Sierra de los Vilabres, Wüste ohne Zivilisation und nirgends die Möglichkeit, Wasser aufzufüllen.
Am ersten Tag habe ich es bis nach Gor geschafft, Kilometer 265. Das ist der letzte Stop vor der Sierra de los Vilabres, Wüste ohne Zivilisation und nirgends die Möglichkeit, Wasser aufzufüllen. Deswegen habe ich mich dazu entschieden, vorher kurz zu schlafen, damit ich frisch und motiviert in diesen Abschnitt reingehe und meine Nachtfahrt nicht so lang ist. Es ist keine gute Idee, in der Sierra zu schlafen – es geht erstmal 1000 Hm hoch und auf insgesamt 2000 Hm ist es nachts unfassbar kalt. Der Plan war zwei Stunden zu schlafen, aber schon nach einer Stunde war ich wieder wach und hab mich fit genug gefühlt, um weiterzufahren.
Witzig war, dass ich die Strecken, die ich letztes Jahr nur im Dunkeln gesehen habe, diesmal im Hellen gefahren bin und andersrum. Das war cool, weil ich wusste, dass es fahrtechnisch eine nicht allzu harte Nacht wird.
#„Witzig war, dass ich die Strecken, die ich letztes Jahr nur im Dunkeln gesehen habe, diesmal im Hellen gefahren bin.“
Mittags bin ich in Gérgal angekommen. Christiana und Luisa waren mir immer dicht auf den Fersen, vor uns weiterhin nur die beiden Ausreißerinnen. Kurz vor dem Desierto de Tabernas, bei etwa der Hälfte der Gesamtstrecke, haben wir alle drei eine Pause gemacht.
Ich hatte auf dem Höhenprofil nur gesehen, dass es flach ist und mir das Ziel gesetzt, es noch bis zum Strand zu schaffen. Ich dachte, da heize ich einfach durch, aber dieses Stück ist durchgehend so richtig hässlicher, tiefer Kies-Sand, der zum Teil unfahrbar ist.
Letztes Jahr hatte ich in Tabernas meinen absoluten Tiefpunkt. Es war dunkel, ich hatte auf dem Höhenprofil nur gesehen, dass es flach ist und mir das Ziel gesetzt, es noch bis zum Strand zu schaffen. Ich dachte, da heize ich einfach durch, aber dieses Stück ist durchgehend so richtig hässlicher, tiefer Kies-Sand, der zum Teil unfahrbar ist, jedenfalls für mich.
Und der Abschnitt ist auch richtig lang, gefühlt 10 km. Dementsprechend langsam war ich. Dieses Jahr war ich wenigstens schon darauf eingestellt. Ich hatte die Hoffnung, dass ich bei Tageslicht besser zurechtkomme, dem war aber leider nicht so – es war wieder richtig beschissen und ich habe ziemlich geflucht. Aber immerhin wusste ich, was mich erwartet und dass ich da irgendwie durchkommen werde. Am Abend von Tag zwei erreichte ich dann San José.
Diesmal hatte ich ziemlich genau drei Etappen, die ungefähr gleich hart waren. Mein Plan ist sehr gut aufgegangen, ich hatte immer so 20 Stunden Radzeit und den Rest Schlaf und Pause. In San José habe ich dann die Gelegenheit genutzt und eine Steckdose gesucht, um alle meine Geräte wieder aufzuladen und mir in dieser Nacht drei Stunden Schlaf gegönnt, weil ich gemerkt habe, dass die eine Stunde von der letzten Nacht nicht gereicht hatte.
Von der Müdigkeit her war es ok.
Von der Müdigkeit her war es ok – ich hatte die Wochen davor supergut geschlafen und habe mir, glaube ich, so eine Art Schlaf-Puffer aufgebaut – aber mein Körper hat sich in dieser einen Stunde gefühlt nicht richtig erholt. Alles hat wehgetan und das habe ich am zweiten Tag richtig zu spüren bekommen. Und da ich wusste, dass die dritte Etappe nochmal richtig hart wird, musste ich so fit wie möglich da reingehen.
Deutlich erholter ging es weiter nach Almeria. Allerdings offenbarte der Blick auf mein Handy schlechte Neuigkeiten: In der Nacht hatten mich drei Frauen überholt. Sophie Jail, die anscheinend in dieser Nacht nicht geschlafen hatte, sowieso Christiana und Luisa, die weniger geschlafen hatten. Christiana und Luisa waren aber nur kurz vor mir und nach dem ersten Stop hatte ich die beiden eingeholt und war die erste auf dem Anstieg hoch nach Almeria. Doch Luisa tauchte schnell wieder auf, da sie offensichtlich sehr gute Beine an dem Tag hatte.
Wir sind eine Weile zusammengefahren, doch irgendwann ist sie los und ich musste mich bremsen, nicht mitzuziehen, weil ich wusste, dass es noch richtig hart werden wird. Ich bin eine effiziente Fahrerin und Luisa eine schnelle, deswegen dachte ich, ich könnte sie noch einholen, doch leider habe ich sie nicht mehr gekriegt.
Ich bin am letzten Tag ganz schön eingebrochen, die Müdigkeit hat mich heftig eingeholt, sodass ich mit Sekundenschlaf zu kämpfen hatte und wollte einfach nur durchkommen. Ich hatte immer als Ziel meine Zeit vom letzten Jahr zu unterbieten und ich wusste schon, dass ich das locker schaffen werde.
Alles in allem bin ich mit dem Ergebnis super happy. Ich bin glücklich darüber, wie gut alles gelaufen ist. Ich wollte vor allem nicht mehr die Fehler machen, die ich letztes Jahr gemacht habe. Ich hatte so viele Probleme mit dem Schlafplatzfinden, mit dem Essen und Trinken und das hatte ich alles diesmal gar nicht. Ich habe mich bestens verpflegt, habe mich kein einziges Mal schwach gefühlt, hab immer genug getrunken, immer einen passenden Schlafplatz gefunden.
Ich ärgere mich immer noch ein bisschen, dass ich den Zug der anderen Frauen am Ende verpasst habe. Aber spätestens auf dem letzten Drittel wäre ich dann wahrscheinlich so richtig eingebrochen und hätte am Gesamtergebnis gar nichts geändert.
Direkt nach der Zieleinfahrt war ich dennoch erstmal ziemlich deprimiert, weil ich bis zum Ende mit Sekundenschlaf zu kämpfen hatte und das war die Hölle. In den vier Stunden bis zum Ziel habe ich nur gedacht, dass ich das nie wieder mache und dass es die beschissenste Idee meines Lebens war, Badlands wieder mitzufahren, so heftig war das für mich. Das hat meine Freude über diese gute Zeit erstmal gedämpft.
Gerade denke ich aber, dass dieses Fahren unter Schlafentzug zu krass ist und dass es vielleicht sogar mein letztes Rennen war, wo man über Nacht fahren muss, weil es mich so fertig gemacht hat.
Jetzt kommt es so nach und nach und es kann sein, dass sich meine Stimmung in den nächsten Tagen nochmal ändert. Gerade denke ich aber, dass dieses Fahren unter Schlafentzug zu krass ist und dass es vielleicht sogar mein letztes Rennen war, wo man über Nacht fahren muss, weil es mich so fertig gemacht hat. Wenn man ganz vorne mitfahren will bei solchen Rennen, da musst du alles mitbringen, auch bei den Frauen ist das Niveau so enorm gestiegen. Du musst effizient fahren, konstant fahren, schnell fahren und dann darfst du auch nicht schlafen, das gehört einfach aktuell dazu. Wenn das die Schraube ist, an der ich drehen muss, dann bin ich raus. So sehe ich das gerade.
#Marion verbrennt 8.000 bis 9.000 Kalorien pro Tag.
Einen Tag später haben wir nochmal mit Marion telefoniert und sie gefragt, ob sie das immer noch so sieht.
Ich bin zufrieden mit meiner Leistung, aber prinzipiell würde ich schon gern weiter vorn mitfahren bei solchen Rennen… und ich glaube, dass der Preis dafür mir zu hoch ist.
Wieso standest du nach deinem Sieg 2021 dieses Jahr wieder an der Startlinie?
Ich habe letztes Jahr einige Fehler gemacht und mir gedacht: „Das geht auf jeden Fall besser.“ Dadurch, dass ich zum ersten Mal ein Rennen gefahren bin, bei dem ich über Nacht fahren und auch draußen schlafen musste, habe ich viele Dinge quasi während des Rennens lernen müssen.
Am letzten Tag zum Beispiel war ich super ineffizient, weil ich das Ziel vor Augen hatte und die letzten 50 Kilometer ohne zu schlafen durchdrücken wollte. Aber es ging halt nur bergauf, das Gelände ist sehr unwegsam, man ist irre langsam und braucht für die letzten 50 Kilometer mindestens fünf Stunden oder sogar länger.
Das Rennen war überhart, auch weil ich so viele Fehler gemacht habe. Deswegen wollte ich das Rennen einfach gerne noch mal bewusster fahren.
Das Rennen war überhart, auch weil ich so viele Fehler gemacht habe. Deswegen wollte ich das Rennen einfach gerne noch mal bewusster fahren, und zwar in dem Sinn, dass ich weiß, worauf ich mich einlasse. Ich wollte zwar auch schneller sein als letztes Jahr, aber nicht, indem ich härter fahre und drücke, sondern weil ich effizienter geworden bin und weniger Fehler mache.
Was wolltest du dieses Jahr denn gerne konkret optimieren?
Ich dachte mir letztes Jahr vor dem Start, dass ich bestimmt gut in der Natur weit weg von der Zivilisation schlafe, wo ich meine Ruhe und weichen Boden habe. Das war im Endeffekt gar nicht so. Ich habe gemerkt, dass das mit dem Schlafen nicht geht, habe mein Schlaflager zusammengepackt und bin weitergefahren, bis ich zu ein paar einsamen Häusern gekommen bin. Da habe ich dann auf Asphalt geschlafen, was gut war, weil der Boden eben war und es auch ein bisschen Licht gab, um mein Zeug aus- und wieder einzupacken.
#Die Strecke mit über 15.000 Höhenmetern führt nicht nur über Gravel - Marion bevorzugt 40 mm-Reifen.
Was wolltest du über den Schlaf hinaus noch verbessern?
Mein Essen. Ich hatte letztes Jahr viel zu wenig gegessen, weil ich wegen der Hitze nichts runterbekommen habe. Das Einzige, was funktioniert hat, waren Gels und Kohlenhydratdrinks, davon habe ich dieses Jahr mehr eingepackt.
Ich verbrenne 8000 – 9000 Kalorien am Tag.
Ich esse schon noch was Richtiges, aber ich verbrenne 8000 – 9000 Kalorien am Tag und so viel kriegst du bei 40 Grad nicht mit fester Nahrung runter. Das wären neun Pizzen! Viel von meiner Nahrung muss ich mitnehmen, denn gerade die ersten zwei Drittel der Strecke sind taktisch interessant, weil es nicht so viele Verpflegungspunkte gibt. Da gibt es verschiedene Schlüsselstellen, wo man sich eindecken sollte. Hinter Gor kommt 120 Kilometer nichts.
Das heißt aber auch, dass du riesige Mengen Wasser mitschleppen musst?
Ich habe fünf Liter dabei, aber es gibt auch immer wieder Wasserquellen. Wobei es in den 120 Kilometern hinter Gor auch keine Quellen gibt, aber immerhin geht es da auf über 1000 Meter Höhe und ist nicht mehr so heiß.
Bist du von der Planung dieses Jahr anders rangegangen, weil du das Rennen schon mal gewonnen hast, oder willst du einfach deine eigene Performance optimieren?
Letzteres. Ich wusste ja nicht, wie die Konkurrenz drauf ist und es waren wieder ein paar starke Frauen am Start. Jede von denen hat dieses Jahr schon irgendwas gewonnen. Lael Wilcox war da, das ist die Koryphäe des Ultracyclings bei den Frauen. Ich wollte mich aber nur mit meiner eigenen Performance messen und gucken, wie weit ich komme.
Mit drei Stunden Schlaf am Tag komme ich im Alltag eigentlich nicht klar und jeweils 5000 Höhenmeter drei Tage am Stück ist eigentlich auch unmachbar.
Wenn ich daran denke, was ich da letztes Jahr für eine Performance hingelegt habe, dann denke ich immer noch: „Das war krass out of space!“ Mit drei Stunden Schlaf am Tag komme ich im Alltag eigentlich nicht klar und jeweils 5000 Höhenmeter drei Tage am Stück ist eigentlich auch unmachbar. Ich habe noch sehr viel Ehrfurcht vor meiner eigenen Leistung. Ich habe letztes Jahr während des Rennens so ein bisschen meine Superkräfte entdeckt, vor allem das Adrenalin, das mich gepusht hat, als ich wusste, dass ich in Führung liege.
Alle Frauen, die als Siegerinnen gehandelt wurden, hatten dieses Jahr schon Rennen gewonnen. Du hattest vor ein paar Wochen die Orbit360-Serie zum zweiten Mal gewonnen. Wie passt diese Serie zu einem mehrtägigen Rennen?
Der große Unterschied ist, dass du beim Orbit360 nur Tagesetappen fährst. Aber du lernst da total gut, effizient zu fahren. Die Strecken sind so lang, dass es darauf ankommt, seine Pausen zu optimieren. Ich bin da auch ganz oft in den Top 5 gelandet, obwohl ich nicht superhart gefahren bin. Ich hatte aber bei manchen Orbits nur eine Pausenzeit von unter fünf Minuten und darauf kommt es bei Ultradistanzrennen an.
Dazu kommt bei Gravelrennen auch noch der mentale Umgang mit der Tatsache, dass du nicht vorankommst. Du hast ja nicht nur die Kilometer und die Höhenmeter. Dazu kommt auch manchmal, dass du sehr langsam bist oder irgendwo hochwanderst. Währenddessen musst du trotzdem positiv bleiben.
Hattest du die Orbits auch so akribisch geplant wie das Badlands?
Die letzten beiden Jahre habe ich das gemacht. Da habe ich mir vorher die Karte und das Höhenprofil angeschaut und mir gemerkt, wo es zu essen und zu trinken gibt. Dieses Jahr habe ich das nicht gemacht, weil es sowieso immer anders kommt, als man denkt.
Ich habe auch mittlerweile eine Superkraft entwickelt, wo ich Wasser herbekommen kann, zumindest in Deutschland. Friedhöfe, Häuser, Scheunen – das ist ultraschnell.
Ich habe auch mittlerweile eine Superkraft entwickelt, wo ich Wasser herbekommen kann, zumindest in Deutschland. Friedhöfe, Häuser, Scheunen – das ist ultraschnell. Du fährst hin, füllst deine Flasche auf und es geht sofort weiter. Das hat dieses Jahr gut funktioniert.
#Schnelles und effizientes Verpflegen ist Teil des Erfolges.
Hattest du dein Training denn spezifisch auf bestimmte Belastungen ausgerichtet?
Letztes Jahr hatte ich einen richtigen Plan, wo ich die Orbits eingebaut hatte. Unter der Woche bin ich einen Dreierblock FTP-Building gefahren und am Wochenende einen Orbit. Das habe ich drei Wochen gemacht und dann eine Woche Pause eingelegt, das hat super funktioniert.
Dieses Jahr ging das nicht, weil ich viel auf Dienstreisen war und dadurch nicht so systematisch trainieren konnte. Ich bin öfters joggen gewesen und habe die Orbits so geplant, dass ich die jeweils dort machen konnte, wo ich auf Dienstreise war. Das hat besser geklappt, als gedacht, meine FTP hat sich sogar ein bisschen verbessert. Dazu habe ich mich unglaublich gut erholt, weil ich gerade einfach ein schönes Leben habe. Obwohl ich dieses Jahr weniger trainiert habe, bin ich fitter, was cool zu sehen ist.
Du hast dich in deinem Training nur auf die FTP konzentriert, weil du bei so langen Touren eh nicht sprinten musst?
Genau. Du musst im Prinzip auch keine langen Touren fahren, das mache ich nur für den Kopf und für das mentale Training, wenn ich auf langen Touren in meine Tiefs reinkomme. Physiologisch bringt es nichts, länger als fünf Stunden auf dem Rad zu sitzen, da bringen Intervalle mehr.
Die körperliche und mentale Vorbereitung scheint super gelaufen zu sein, wie sieht es denn mit dem Rad aus?
Das Rad ist viel leichter geworden, das ist jetzt ein Carbon-Prototyp des neuen Votec VRX mit Carbon-Anbauteilen. Die Gangschaltung ist die gleiche geblieben, die Übersetzung ist so ein Mullet Build mit 40 Zähnen vorne und einer 10-52er MTB-Kassette hinten. Das ist Gold wert bei den vielen Höhenmetern, die man da wegdrücken muss. Ich finde, das neue Rad fährt sich schneller, entweder weil ich anders sitze oder weil es leichter ist.
Auf was für Reifen warst du unterwegs? Das Gelände sieht auf Fotos so aus, als wären MTB-Reifen keine verkehrte Idee.
Ich fahre Continental Terra Trail in 40 Millimeter, das ist ein Super-Reifen. Mountainbike-Reifen sind nicht mein Style, ich habe auch mal die Continental Terra Hardpack in 50 Millimeter getestet.
Ich fühle mich mit so fetten Reifen nicht wohl, ich fühle mich da wie auf einem Traktor.
Ich fühle mich mit so fetten Reifen nicht wohl, ich fühle mich da wie auf einem Traktor. Und das Rennen hat auch echt viele Höhenmeter, weshalb es wichtig ist, leicht unterwegs zu sein. Wenn es zu mountainbikig wird, schiebe ich sowieso, tiefen Sand kann ich auch mit 50 Millimeter breiten Reifen nicht fahren und bin deswegen mit 40 Millimeter gut bedient.
Was an deiner Ausrüstung ist denn noch besonders wichtig für dich?
Mein Taschensetup ist leichter geworden, letztes Jahr hatte ich noch einen dicken Biwaksack und eine Daunenjacke dabei. Die habe ich rausgenommen und mein Gepäck ist dadurch ein Kilo leichter geworden. Ich schlafe jetzt in einem Notfallbiwak mit Seidenschlafsack auf einer Isomatte. Deswegen konnte ich die Taschen aus der Apidura Racing Series fahren. Ich trage Cargobibs von Velocio, das ist megageil.
Ich habe mir auf der letzten langen Tour vor dem Rennen in einer Bäckerei ein Stück Strudel gekauft und mir das in die Cargobibs reingestopft. Dadurch hatte ich Schenkel wie Robert Förstemann.
Ich habe mir auf der letzten langen Tour vor dem Rennen in einer Bäckerei ein Stück Strudel gekauft und mir das da reingestopft. Dadurch hatte ich Schenkel wie Robert Förstemann, aber der Strudel hat das gut überstanden und ich konnte den dann 50 Kilometer später snacken.
Mein Handy ist immer in der Tasche und dadurch kann ich während der Fahrt ganz einfach Fotos machen, das geht mit keiner anderen Tasche so gut. Gerade wenn man gravelt und nicht viel Zeit für ein Foto hat, weil man schnell wieder beide Hände am Lenker haben möchte. Ich habe auch eine Trinkweste von Apidura getragen. Sowieso trage ich alles von Apidura, was ich habe, weil die Marke mich eingeladen und mir den Startplatz geschenkt hat. Da passen zwei Liter rein, aber ich habe am Rad noch knapp drei Liter. Unterm Tretlager ist mein Werkzeug, aber ich habe zwei Flaschen im Rahmen und zwei an der Gabel.
Das Gespräch wurde von Votec für uns mit Marion geführt und vorher mit uns abgestimmt. Wir danken für die Chance, bedanken uns bei Marion, dass sie sich die Zeit genommen hat und bei Sebastian Samek/Votec für die zur Verfügung gestellten Bilder.
Denkt man über geeignete Graveltouren für Anfänger nach, würde vermutlich etwas völlig anderes dabei herauskommen als Jakobs Plan: 216 Kilometer. Pro Tag. Ohne Pause – und ohne Training. Sieben Tage lang – oder kurz gesagt: Mit dem Gravelbike von Freiburg bis nach Oslo.
Mit dem Gravelbike nach Oslo – 1.500 km in sieben Tagen
Jakob Matthaei (23), Student aus Freiburg, hatte laut eigener Aussage keine Erfahrungen mit längeren Fahrradfahrten, als er im vergangenen Jahr beschloss, mal nach Oslo zu radeln. Im August 2022 war es dann so weit: Mit dem Freiburger Fahrrad-Spezialisten Mount7 fand er geeignete Komplizen für diese Schnapsidee und lernte so Chasperó kennen, sein neues Cervelo Aspero und einzigen Reisebegleiter für eine 1.512 Kilometer-Einsteigertour.
#Jakob packt: Ohne entsprechende Erfahrung eine solche Tour anzutreten, …
#… ist in der Vorbereitung sicher gut für den Blutdruck.
#Inventur: Das alles hatte Jakob auf seiner Gravel-Woche im Gepäck.
Zu unserem Glück hat er seine Expedition mit einer Gopro-Kamera in Film und Bild festgehalten und einen unterhaltsamen Clip daraus gemacht. Popcorn ready, es geht nach Norwegen!
#… bis zur Fähre am Nordzipfel Dänemarks geschafft.
#Am späten Abend der 6. Etappe geht es mit dem Schiff weiter über das Skagerrak.
#Tag 7, Sonnenaufgang am Hafen von Larvik. - Von hier sind es noch 140 km bis Oslo.
#Geschafft! Jakob macht ein Beweisfoto vor der Oper in Oslo. - Heim geht es mit Bus & Bahn.
Zurück gefahren von Oslo ist Jakob dann übrigens mit Bus und Bahn. Und soll, so wird uns aus gut informierter Quelle berichtet, seither auch weiterhin gern Abenteuer zusammen mit Chasperò, dem treuen Gravel Bike erleben.
Krasse Nummer! Würdest du dir eine solche Tour zutrauen?
Fotos und Kamera: Jakob Matthaei, Videoschnitt und Ausrüstung: Mount 7 Freiburg
Am 13. Mai findet in Aachen der deutsche Qualifikationslauf der Trek UCI Gravel World Series statt – das erste große Gravel Rennen auf öffentlichem Gebiet in Deutschland. Wir haben die Streckenplaner gefragt, wie man so etwas in der Genehmigungsrepublik Deutschland angeht. Und Gravel Profi Paul Voß gibt eine Streckeneinschätzung.
Das erste große Gravel-Rennen in Deutschland im Rahmen des 3Rides Festivals in Aachen (alle Infos zur Gravel WM Quali) ist zugleich die Qualifikation für die UCI Gravel Weltmeisterschaften. Im Rahmen des dreitägigen Fahrrad-Festivals 3Rides geht das Gravel-Rennen am 13. Mai 2023 über die Bühne.
#Carolin Schiff beim Streckencheck - sie würde gerne auch im Norden in ihrer Heimat Bremen ein Gravel Rennen wie den UCI Quali-Lauf sehen.
Die Strecke ist in der Haupt-Rennklasse 136 km lang und startet auf dem Gelände des weltbekannten Pferdesport-Events CHIO. Auf dem Rundkurs mit 19,5 km Länge addieren sich 200 Hm. So sind am Ende über.2.000 Höhenmeter zu bewältigen Mitfahren darf Jede und Jeder, mit und ohne Rennlizenz. Die Startgebühr beträgt 60 Euro. Benötigt wird lediglich ein entsprechendes ärztliches Attest. Neben dem Gravel-Profis Paul Voß und der Cyclocross- und Straßenfahrerin Carolin Schiff plant inzwischen auch der Cyclocross-Profi Marcel Meisen seinen Start.
Was ist nötig, um eine solche Gravel Rennstrecke zu planen? Und worauf können sich Racer*innen vor Ort gefasst machen. Streckenplaner Björn Müller, Ex Tour de France Punkte-Trikot-Träger und Gravel-Rennfahrer Paul Voß und Kollegin Carolin Schiff haben unsere Fragen beantwortet.
Hallo Björn, das erste Gravel Rennen – woran orientiert man sich da bei der Planung?
Björn Müller: Im Gegensatz zum Radcross nutzen wir beim Gravel die Landschaft, wie wir sie vorfinden. An der Strecke wird nur sehr wenig künstlich erschaffen, daher ist gute Ortskunde der Schlüssel, um 65 Prozent der Strecke auf nicht asphaltierten Strecken zu finden. Wir müssen natürlich sehr stark auf die Vorgaben des Naturschutzes achten, die sind hier in der Gegend besonders hoch. Das ist beim Gravel-Rennen allerdings weniger kompliziert als beim Mountainbike, denn wir planen ja mit Waldwegen, nicht mit Trampelpfaden. Der Koordinationsaufwand mit den Behörden ist dennoch erheblich, allerdings hat das sehr gut funktioniert, und wir arbeiten sehr vertrauensvoll zusammen. Wichtig ist auch, dass der Parcours nicht zu kurz ist. Es ist ja ein UCI-Massen-Event – und deshalb wäre ansonsten die Gefahr zu groß, dass schon nach sehr kurzer Zeit die ersten Überrundungen anstehen.
Ein Gravelrennen ist ein MTB-Marathon nur mit Rennrädern – was stimmt daran, was nicht?
Björn Müller: Das sehe ich ganz anders. Ein MTB-Marathon ist auf eine sehr lange Distanz angelegt, mit vielen Höhenmetern – wir haben hier eine Strecke, die speziell für Gravel-Räder ausgesucht ist. Hier wird nicht gesprungen, hier geht es nicht über Single Trails – Gravel ist eine eigene Art des Radfahrens und auch nicht ein Rennradmarathon mit ein bisschen mehr Schotter.
Macht die UCI Vorgaben zur Streckenbeschaffenheit?
Björn Müller: Ja, die UCI verlangt mindestens 65 Prozent Anteil an Offroad-Strecke. Das bedeutet, dass wir auch Streckenpassagen heraussuchen, bei denen wir statt der nebenan laufenden Straße einen Schotterweg nutzen. Die UCI sähe am liebsten 120-Kilometer-One-Way-Strecken, aber das funktioniert bei uns in Deutschland nicht. Insofern müssen wir nur die Vorgabe erfüllen, dass wir mindestens 15 Kilometer Strecke pro Runde haben.
Dass es nicht mehr Rennen gibt, liegt auch daran, dass lange Strecken durch deutsche Wälder schwer zu genehmigen sind, wie schwer war es konkret?
Björn Müller: Das stimmt. Es ist immer eine Hürde, mit der Unteren Umweltbehörde zu sprechen. Man sieht oft nicht auf den ersten Blick, welcher Naturschutz in einem Gebiet gilt. Es muss also genau abgestimmt werden, wo und zu welcher Zeit die Fahrer durch ein Gebiet fahren. Es ist wichtig, dass die Experten dabei genau im Blick haben, welche Belastungen etwa für brütende Vögel anfallen.
#Gravel- und CX-Eite beim Streckencheck - Marcel Meisen, Carolin Schiff, Paul Voß (vorne von links).
Taugt das Vorgehen eine Blaupause für mehr Events in anderen Regionen?
Björn Müller: Das denke ich nicht. Jedes Bundesland ist unterschiedlich. Als Veranstalter muss man mit den lokalen Behörden sprechen. Unser großer Vorteil ist, dass die Stadt Aachen uns stark unterstützt und erkennt, dass wir hier ein international relevantes Event haben. Das hat auch für den Tourismus Bedeutung. In Aachen zieht die Stadt sehr positiv mit und unterstützt uns. Das ist nicht überall zu erwarten.
Auf welche Streckenteile seid ihr besonders stolz?
Schon auf die ganze Runde. Wir haben sehr unterschiedliche Streckenabschnitte. Da ist der Weg durchs CHIO-Gelände, der schmal und eng gesteckt ist. Dann haben wir die Fahrt über die Pavés auf offenem Feld, wo auch Windkanten drohen. Man kann mit einem sehr schnellen Rennen rechnen, aber es gibt auch viele technisch anspruchsvolle Passagen. Der letzte Anstieg zum Blauen Stein, wo es über Schotter nochmal durch den Wald bergauf geht, das ist schon sehr anspruchsvoll. Material wird hier eine große Rolle spielen.
Hier wird man auf jeden Fall ein Gravelrad brauchen, mit dem Straßenrad kommt man hier nicht durch.
Paul Voß
Wo müssen Qualifahrer am meisten aufpassen, Paul?
Paul Voß: Der Parcours hat mir sehr gut gefallen. Es sind ein paar technische Kurven, es gibt ein paar knackige Anstiege – aber ich denke, der Kurs lässt sich gut wegknallen. Mich erinnert die Strecke ein bisschen an die belgischen Frühjahrsklassiker, gerade mit dem Kopfstein, den schmalen Wegen und dem Wind. Es wird damit schon auf Position gefahren. Am Ende wird der Kurs schwerer sein, als er mir beim Erkunden vorkam. Hier wird man auf jeden Fall ein Gravelrad brauchen, mit dem Straßenrad kommt man hier nicht durch. Ich denke, ein Standardsetup mit schnellen Reifen ist hier geboten. Einige Kurven sind technisch, aber nicht allzu herausfordernd. Wichtig wird die große Bandbreite an Gängen sein.
Gravel Biker, kommst du nach Aachen, was solltest du noch auf dem Gravel Bike machen außer die Quali zu fahren, Paul oder Elodie?
Paul Voß: Die Gegend hier ist wirklich schön. Carolin Schiff und ich haben schon überlegt, ob wir ein paar Tage früher hierherkommen und uns ein bisschen mehr anschauen. Man kann hier Graveln, Rennrad fahren und Mountainbike fahren. Es hat hier Ardennen-Charakter, aber es gibt auch ganz andere Möglichkeiten. Das ist schon sehr vielseitig. Aachen ist ganz sicher einen längeren Rad-Trip wert.
Wie seht ihr die Zukunft der Gravel Rennen in Deutschland?
Björn Müller: Wir hoffen, dass wir Nachahmer finden, dass es Rennen gibt, Ausfahren und vor allem auch Rennen. Wir merken, wie die Szene sich in Genussfahrer und Rennstarter teilt. Das neue Format der Rennen zieht. Es wäre schön, wenn es mehr Gelegenheiten für Sportler gäbe, da auch mal um die Wette zu fahren.
Was wäre euer Traum Gravel Rennen in Deutschland?
Carolin Schiff: Ich würde gern bei uns im Norden eines sehen. Bei uns, rund um Bremen, würden viele Fahrer überrascht sein. Da geht es sogar richtig hoch und runter – etwa bei Worpswede, wo ich selbst gern unterwegs bin.
Jonas Deichmann hat nicht nur in 120 Ironmans die Welt umrundet, er hat auch bereits ein Buch darüber geschrieben, das Spiegel-Bestseller war. Jetzt überrascht er mit dem neuen Buch „Der Schokoriegel Effekt“. Worum es geht, erfahrt ihr hier – und wir verlosen ein Exemplar unter unserer Leserschaft.
Der Schokoriegel Effekt – das Buch
Nicht nur kann der Abenteurer, Extremsportler und Autor Jonas Deichmann offenbar sehr lange und sehr weit Laufen, Schwimmen und Radfahren; er hat auch einen Master in Business and Development und bestreitet seinen Lebensunterhalt eigentlich in letzterem Bereich als Berater und Redner. Gemeinsam mit dem Wiener Coach und Consultant Dr. Alexander Doujak liefert Jonas Deichmann in seinem neuen Buch Rat und Inspirationen für ein erfülltes, erfolgreiches Leben – beim Sport, im Alltag und im Business.
Es geht um den Schokoriegel an der nächsten Tankstelle, nicht um das zigtausendkilometer entfernte Ziel.
Jonas Deichmann
Erschienen ist „Der Schokoriegel Effekt“ am 01. März im Gräfe und Unzer Autorenverlag. Das Taschenbuch kostet 16,99 Euro, als E-Book für Kindle 14,99 € und als Gewinn hier in den Kommentaren sogar gratis!
Um mitzumachen, musst du ganz einfach folgende Frage in unserer Kommentarspalte beantworten:
Was (und wo) war die längste Distanz, die du jemals am Stück mit dem Fahrrad gefahren bist?
Die Regeln: Unter allen Teilnehmern, die sich an der Wahl beteiligen, verlosen wir ein Exemplar von „Der Schokoriegel Effekt“ als Taschenbuch. Eine Antwort pro Teilnehmer zählt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen; Bekanntgabe der Gewinner und alle Angaben ohne Gewähr. Ausschluss der Teilnahme von Zweit- oder Fakeaccounts sowie Angestellten der Gewinnspiel-Auslober und deren Angehörigen vorbehalten. Durch die Teilnahme am Gewinnspiel entstehen den Teilnehmern keine weiteren Kosten. Das Gewinnspiel endet am Donnerstag, den 30. März 2023 um 08:00 Uhr. Der Gewinn wird durch Rennrad-News zur Verfügung gestellt.
Infos: Jonas Deichmann, Titelfoto: Markus Weinberg
Im Rosa Trikot fahrend, muss Remco Evenepoel den Giro d’Italia beenden, weil er sich mit Covid-19 infiziert hat, das gab sein Team Soudal – Quick-Step soeben bekannt. Ausgerechnet Evenepoel äußerte vor dem Start schon seine Besorgnis über steigende Infektionszahlen und animierte zum Tragen einer Maske.
Der Belgier Remco Evenepoel scheidet nach einer Covid-19 Infektion aus dem Giro d’Italia aus. Evenepoel hatte heute das Rosa Trikot des Gesamtführenden der italienischen Landesrundfahrt im Zeitfahren zurückerobert. Zum ersten Mal hatte Evenepoel das legendäre Trikot bereits beim ersten Zeitfahren in überragender Manier gewonnen – und erschien bereits als Hauptfavorit für den Giro 2023. Ausgerechnet Evenepoel gehörte zu den lautesten Warnern vor der Gefahr einer Covid-Infektion für die Sportler beim Start des Giro.
„Es tut mir wirklich leid, dass ich das Rennen verlasse. Im Rahmen des Mannschaftsprotokolls habe ich einen Routinetest gemacht, der leider positiv war. Ich habe hier eine ganz besondere Erfahrung gemacht, und ich habe mich darauf gefreut, in den nächsten zwei Wochen zu kämpfen. Ich kann dem Team und den Fahrern, die in der Vorbereitung auf den Giro so viel geopfert haben, nicht genug danken. Ich werde sie in den nächsten zwei Wochen anfeuern“, sagte Evenepoel, der am Montag mit dem Auto nach Hause fahren wird.
Infektionen machen Teams zu schaffen
Schon bei der Teamvorstellung zum Giro d’Italia auf der Piazza della Rinascita von Pescara am vergangenen Donnerstag fielen etliche Profifahrer durch das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen oder FFP2-Masken auf. In Tagen zuvor hatten Ausfälle durch Corona-Infektionen im Profi-Rennradsport für Unruhe gesorgt.
Der Weltmeister Remco Evenepoel betonte die Wichtigkeit von Schutzmaßnahmen wie das Tragen von Masken und forderte alle Fahrer, Sportdirektoren und Journalisten auf, vorsichtig zu sein. Er erklärte in einem Interview mit der dpa, dass der Verlust von mehreren Fahrern im Peloton eine Botschaft an alle sein sollte, dass das Virus immer noch präsent sei.
Der Verlust mehrerer Fahrer im Peloton muss eine Botschaft an alle sein, dass wir aufpassen müssen, dass das Virus immer noch da ist. Das gilt für Fahrer, Sportdirektoren und Journalisten. Tragt eine Maske!
Remco Enenepoel – Team Soudal Quick-Step
Erst am Mittwoch mussten im Team Jumbo-Visma von Topfavorit Primoz Roglic zwei wichtige Helfer aufgrund einer Covid19-Infektion ersetzt werden und auch der Italiener Giulio Ciccone, Kapitän des Teams Trek, fiel wegen einer Infektion aus. Aus Lennard Kämnas Bora-Hansgrohe-Team war zuletzt Emanuel Buchmann von Corona betroffen. Infektionen zum jetzigen Zeitpunkt hätten das Potenzial, die mühevollen Erfolge monatelanger Vorbereitungen zunichtezumachen und manch Profisportler:in musste, wie kürzlich die norwegische Biathletin Tiril Eckhoff, seine oder ihre Karriere aufgrund der Folgen einer Covid-Infektion bereits vorzeitig beenden.
Beim Team Bora-Hansgrohe wurden vor dem Rennen alle Teammitglieder getestet, um sich vor einer möglichen Infektion zu schützen. Trotz der Lockerungen in dieser Saison bleiben die Sportler wachsam und nehmen das Thema Corona sehr ernst.
Locker sind wir alle nicht.
Lennard Kämna – Bora Hansgrohe
Zwar gibt es in dieser Saison keine Corona-Einschränkungen oder verpflichtende Tests mehr, aber wenn das Virus erst einmal im Team ist, drohen Krankheiten und Ausfälle.
Text: Peter Hundert, Jan Gathmann / Foto: RCS-Sport
Nach seinem Sieg bei Badlands 2022 stellt sich Sebastian Breuer seinen nächsten Herausforderungen – 1.000 km Across Andes und das Atlas Mountain Race in Marokko. Ein Film aus den Höhen und Tiefen des Lebens als Leistungssportler.
Jonas Deichmann sollte eigentlich schon auf seinem Duathlon quer durch die USA unterwegs sein. Doch das Fahrrad des Extrem-Sportlers ist noch nicht in New York angekommen. Die Wartezeit überbrückte der 36-Jährige unter anderem mit einem Exklusiv-Interview für Rennrad-News.
Jonas Deichmann sitzt aktuell in New York und wartet auf sein Gravel Bike, mit dem sein Duathlon quer durch die USA am 28. Juni starten sollte. Unser Redakteur Jan Gathmann ist vor Ort und hat mit dem Extrem-Sportler über die aktuelle Situation und sein bevorstehendes Projekt gesprochen.
Jonas, du bist gerade aus Portugal hierher geflogen, allerdings ist dein Fahrrad nicht angekommen. Was ist passiert und wo bist du zuvor gewesen?
Ich war Freitag und Samstag auf der Eurobike und dann noch zwei Tage bei der Familie in der Schweiz, noch mal in den Bergen. Dann bin ich über Lissabon hierher geflogen. Das war einfach die beste Flugverbindung. Nur leider hat es das Fahrrad nicht hierher geschafft.
Was denkt man da als Erstes, wenn das Fahrrad nicht ankommt? Ist dir das schon mal passiert?
Nee, ist mir noch nie passiert. Bisher ist mein Gepäck immer angekommen. Und ich bin auch schon viel mit dem Fahrrad unterwegs gewesen und gereist. Aber shit happens. Ich kann es nicht ändern. Deshalb mache ich mir jetzt hier einen schönen Tag in New York und hoffe einfach, es kommt morgen. Wenn ich mit einem Tag Verspätung starte, kann ich das wieder reinholen, auch zwei Tage gingen noch, dann trete ich halt ein wenig in die Pedale. Aber wenn es länger dauert, wäre natürlich doof, denn ich habe natürlich schon einen gewissen Zeitplan.
Du fährst diesmal mit dem Gravelbike. Ist die Route anders als sonst bei deinen Unternehmungen oder ist das so ähnlich wie zum Beispiel die Kapstadt-Tour?
Die Strecke ist dieses Mal komplett anders. Bei meiner Rekordfahrt nach Kapstadt habe ich die schnellsten Straßen und Asphalt mit dem Rennrad genutzt, das waren oft größere Straßen. Dieses Mal steht natürlich auch der sportliche Aspekt im Vordergrund, aber ich werde nicht auf Autobahnen unterwegs sein, sondern eine landschaftlich attraktive Route mit einigen Umwegen wählen. Der östliche Teil der USA wird relativ direkt durchfahren, die landschaftlichen Highlights kommen dann mit den Bergen, den Canyons in Utah und der Wüste. Dort habe ich ein paar Extra-Schleifen eingebaut und setze auf Gravel.
#Mit diesem Rad will Jonas Deichmann quer durch die USA fahren - ein Scott Addict Gravel RC Modelljahr 2024.
Du hast auch schon in New York gewohnt, hast du mir eben gesagt. Worauf freust du dich morgen auf der Fahrt aus New York raus? Worauf freust du dich da am meisten?
Einfach durch Manhattan durchfahren – über die Brooklyn Bridge und dann durch Manhattan durch und Central Park. Das wird schon ein Highlight. New York ist eine Stadt, in der ich immer gerne für ein paar Tage bin, obwohl ich sehr naturverbunden bin. Länger allerdings nicht, weil es mir einfach so die Energie rauszieht. Und deshalb bin ich dann schon auch froh, wenn ich wieder draußen bin. Der Großraum New York ist sicherlich nicht die schönste Gegend zum Radeln. Da muss man einfach durchkommen. Ich glaube, es sind so 100 Kilometer, bis ich dann wirklich raus bin und so langsam im Grünen und dann freue ich mich auf Pennsylvania.
New York ist eine Stadt, in der ich immer gerne für ein paar Tage bin, obwohl ich sehr naturverbunden bin. Länger allerdings nicht, weil es mir einfach so die Energie rauszieht.
Als wir zum ersten Mal gesprochen haben, bist du gerade in Kapstadt angekommen. Da hatte ich sofort den Eindruck, dass du so ein super positiver Mensch bist. Ich dachte du müsstest doch eigentlich total fertig sein. Es war, glaub ich, auch etwas passiert. Aber du warst trotzdem super positiv. Wo nimmst du das her?
Ich habe das große Glück, meine Leidenschaft zum Beruf gemacht zu haben. Und ich würde für nichts in der Welt tauschen. Diese Projekte, die ich mache, das ist das, wofür ich lebe. Das macht so unglaublich Spaß – auch mit den Tiefpunkten, die dazugehören. Das ist mal so die Grundvoraussetzung. Wenn das so etwas wie jetzt hier, dass mein Fahrrad nicht ankommt, passiert, dann ist es eben so – shit happens. Ich kann jammern und mich darüber beklagen oder ich akzeptiere es und mache mir heute einen schönen Tag in New York und morgen ist das Fahrrad hoffentlich da und es geht los. Und so ist es mit allem. Also wenn was schiefläuft, dann sich einfach nicht unterkriegen lassen, sondern sich darauf konzentrieren, was man beeinflussen kann.
Beeinflussen ist ein gutes Stichwort. Du fährst ein Gravelbike. Bei Gravelbikes sind Reifenpannen oft ein Thema. Hast du spezielle Reifen, Anti-Plattreifen oder Ähnliches?
Also ich fahre die Schwalbe G1R als Tubeless Variante und die fahre ich auch schon länger auf dem Gravelbike, habe super Erfahrungen damit gemacht. Für mich ist Tubeless wirklich ein Gamechanger. Ich weiß es sogar genau, rein statistisch gesehen. Zwar nicht auf dem Gravel Bike, aber auf dem Rennrad. Ich bin ja die Panamerika gefahren, von Alaska nach Feuerland, das sind 23.000 Kilometer. Und da sind gerade in den USA und dann auch in Mexiko auf den Seitenstreifen der großen Straßen immer so kleine Drähte von den LKW-Reifen, die platzen. Ich habe über 50 Platten auf der Panamerika gehabt mit Schlauchreifen. Und dann bin ich bei Nordkap Kapstadt gefahren. Es sind 18.000 Kilometer, aber auch mit afrikanischen Straßen dabei. Und in Russland genauso, das mit dem Seitenstreifen, wo dann die LKW-Reifenplatzer sind. Also ich würde sagen, sehr vergleichbare Bedingungen. Panamerika über 50 Platten, Nordkap Kapstadt zwei mit Tubeless! Also absoluter Gamechanger.
Tubeless ist für mich ein echter Gamechanger
Hast du auch Ersatzmilch dabei?
Nein, ich habe keine Milch dabei, habe ich nie, sondern ich pumpe immer auf und meistens lässt sich das so reparieren. Wenn nicht, habe ich einen Ersatzschlauch und mache den rein. Also wenn das Loch so groß ist, dass es nicht mehr dicht wird, dann kommt da ein Schlauch rein.
Machst du mehr Milch rein, als empfohlen ist?
Ein ganz kleines bisschen mehr, ja. Aber nicht viel, ein bisschen mehr und normalerweise hält es auch.
Was ist für dich das Wichtigste an deiner Ausrüstung?
Das ist schwierig zu sagen, weil alles, was ich dabei habe, wichtig ist. Sonst würde ich es nicht mitnehmen. Ich bin ja Minimalist. Am Fahrrad definitiv tubeless. Und ich fahre mechanische Schaltung bei großen Projekten. Ich habe in Deutschland am Trainingsrad auch eine Di2, aber für so große Projekte fahre ich lieber mechanische Schaltungen. Ich habe eine Shimano GRX-Gruppe verbaut. Der Grund ist einfach: ja, elektrisch ist gut, aber es ist nun mal eine Sache mehr, die kaputt gehen kann. Deshalb würde ich mit dem Reiserad in abgelegenen Gegenden immer mechanisch fahren.
#Jonas Deichmann ist Minimalist und er verfügt über viel Erfahrung - entsprechend sinnvoll und knapp hat er seine Ausrüstung zusammengestellt.
Fährst du mit Auflieger?
Nein, diesmal nicht. Einfach, weil es ein Gravelbike ist.
Und der Rücken? Hast du nie Probleme mit dem Rücken?
Nein, ich habe nie Probleme mit dem Rücken, auch nicht mit den Händen. Also ich habe generell keine Probleme. Auch nicht mit dem Sitzen. Sitzbeschwerden habe ich seit Jahren nicht mehr gehabt. Rückenprobleme auch nicht. Ich werde immer nach schlafenden Händen gefragt. Habe ich noch nie gehabt. Das ist einfach so, ich habe keine Probleme.
Was isst du unterwegs? Hältst du an zum Essen?
Teilweise. Man muss auch klar sagen, dass es auch eine Art Esswettbewerb ist, wenn man jeden Tag so lange Sport treibt. Ich benötige Kalorien, vor allem beim Radfahren. Da ist es einfacher. Ich mache normalerweise eine Mittagspause im Restaurant. Abends habe ich einen Campingkocher dabei, mit dem ich mir etwas koche. Auch zum Frühstück verwende ich den Kocher. Zwischendurch esse ich ständig Kekse, Schokolade, Bananen und alles, was ich finden kann. Beim Laufen ist es etwas schwieriger, weil ich während des Laufens Probleme habe zu essen. Da kommt dann auch die Gefahr des Gewichtsverlusts hinzu. Ich erinnere mich an eine Situation vor zwei Jahren, als ich von Mexiko nach Feuerland gelaufen bin und innerhalb von zwei Wochen fast 10 Kilo verloren habe.
Man muss auch klar sagen, dass es auch eine Art Esswettbewerb ist, wenn man jeden Tag so lange Sport treibt.
Ja, das konnte man auch auf den Bildern sehen. In den USA gibt es ja viele Diner und Burger und kalorienreiches Essen, aber achtest du auch darauf dich gesund zu ernähren?
Ja, ich schaue schon, dass ich auch so ein wenig meine Vitamine habe. Aber den hohen Grundumsatz, den ich habe beim Sport, also das, was ich verbrenne, das bekomme ich natürlich mit Obst und Nüssen allein nicht rein. Also Obst und Nüsse für die Nährstoffe, und der Burger, die Schokolade und die Kekse für die puren Kalorien.
Und Nahrungsergänzungsmittel, nimmst du so etwas auch?
Teilweise. Allerdings muss ich sagen, dass ich das AG1-Produkt nicht jeden Tag verwende. Ich kann es auch nicht immer mitnehmen, da ich ja kein halbes Kilo-Pack mit mir rumschleppen kann. Aber ich habe immer eine kleine Menge davon dabei und verwende es, wenn ich merke, dass ich beispielsweise in der Wüste unterwegs bin und nur Burger und ähnliches gegessen habe. Dann ist es definitiv eine gute Ergänzung, um meinem Körper noch etwas zuzuführen. Aber ich muss auch klar sagen, dass eine ausgewogene Ernährung das Beste ist. Wenn ich unterwegs bin, ist es jedoch manchmal schwierig, immer alles zu bekommen, was mein Körper benötigt. In solchen Fällen ist es umso wichtiger, etwas zusätzlich einzunehmen.
Okay, dann wünsche ich dir alles Gute für deine Fahrt morgen! Wenn es klappt und dein Fahrrad morgen ankommt, werde ich dich noch ein Stückchen begleiten. Möchtest du noch etwas sagen? Möchtest du den Leuten in Deutschland etwas mitteilen?
Ja, ich freue mich wirklich, dass es endlich losgeht. Wieder ein Abenteuer! In den vergangenen zwei Jahren habe ich hauptsächlich Vorträge und Interviews gehalten und nur kleinere Abenteuer erlebt. Aber jetzt werde ich endlich wieder für vier Monate unterwegs sein und an einem großen Projekt arbeiten. Ich freue mich wirklich sehr darauf.
Wird es auch wieder einen Film geben?
Ja. Dennoch bin ich auch dieses Mal größtenteils allein unterwegs. Das ist Teil meines Konzepts, ich mache meine Projekte unsupported. Und es wird wieder ein Buch geben, das Mitte Dezember veröffentlicht wird, kurz vor Weihnachten. Den Film wird wieder Markus Weinberg machen. Er hat bereits „Hier lang um die Welt“ gemacht, und jetzt begleitet er mich auf Teilen der kommenden Strecke. Er wird etwa vier Wochen in den USA bleiben, aber nicht die ganze Zeit bei mir sein. Markus war früher Profi-Radfahrer und hat viele Freunde in den USA. Er wird also nur ein paar Tage bei mir dabei sein, bei den Highlights durch Monument Valley oder die Rocky Mountains. So ist es eine gute Mischung: Ich mache den Großteil allein, aber bei den besonderen Highlights ist Markus dabei.
Dein Buch war ein Bestseller und der Film ist ebenfalls jetzt angelaufen. Wie ist die Resonanz darauf?
Der Film läuft gerade auf Netflix und kommt sehr gut an. Ich kenne zwar nicht die genauen Zahlen, aber ich erhalte täglich etwa 20 bis 30 Nachrichten über Social Media von Leuten, die den Film auf Netflix gesehen haben und begeistert sind. Vor allem aber merke ich, dass ich derzeit etwa 1.000 bis 2.000 neue Abonnenten auf Instagram pro Tag habe. Ein großer Teil davon kommt von Netflix, wo die Leute mich vielleicht schon mal in den Medien gesehen haben, aber erst durch Netflix wirklich auf mich aufmerksam wurden. Ich würde sagen, der Film wird von mehreren tausend Menschen täglich gesehen. Das Buch war fünf Monate lang auf der Spiegel-Bestsellerliste und ich schätze, dass bisher über 100.000 Exemplare verkauft wurden, wenn man die Audio- und E-Book-Versionen mit einrechnet. Das ist wirklich großartig.
Schön, dann hoffen wir, dass du weiterhin so großen Erfolg hast und viel Spaß auf deiner Tour quer durch die USA!
Hier lest ihr mehr über Jonas Deichmann und seine Projekte:
Jonas Deichman hat auf seinem Duathlon quer durch die USA seine Radstrecke absolviert und ist in L.A. angekommen. Wie es ihm auf der ersten Hälfte des Duathlons ergangen ist, darüber haben wir kurz mit ihm gesprochen.
(Update 26.07.2023)
Los Angeles erreicht – Radstrecke absolviert
Den ersten Teil seines Duathlons quer durch die USA hat Jonas Deichmann geschafft: In 26 Tagen hat der Extremsportler 5.400 Kilometer durch 11 Staaten der USA zurückgelegt.
#Mal eben 5.400 Kilometer Fahrrad gefahren. - Für die Strecke von New York nach L.A. benötigte Jonas 25 Tage.
#Am 25. Juli ist Jonas am Ziel seiner Radstrecke in Los Angeles angekommen.
Vor allem die endlosen, monotonen Maisfelder in Illinois und Nebraska waren mental anstrengend. Schnurgerade Straßen ohne jegliche Abwechslung. Körperlich waren weniger die unzähligen Höhenmeter der Rocky Mountains die große Herausforderung, sondern die extreme Hitze im Westen der USA.
Gegen Ende der Tour kam ich bei der Durchquerung der Mojave-Wüste, einem der heissesten Orte der Welt, an meine Grenzen. Mir blieb nichts anderes übrig, als um 3 Uhr morgens aufzubrechen, um der Tageshitze von 46 Grad ohne Schatten einigermaßen zu entkommen.
Am 25. Juli wurde der Extremsportler am Santa Monica Pier in Los Angeles von Fans empfangen und von dort aus wird er am 27. Juli wieder nach New York aufbrechen, wo er Anfang November erwartet wird. Dabei wird er sein Gepäck in einem Laufanhänger hinter sich herziehen und täglich rund 50 Kilometer zurücklegen.
#Vom Atlantik zum Pazifik! - Am Santa Monica Pier ist für Jonas Gravelbike die Reise beendet. Jonas läuft zurück nach New York.
USA Twice – Startschwierigkeiten
Der Start war dann doch ein wenig holprig: Nachdem Jonas Deichmann am 27. Juni in New York eingetroffen war, fehlte die Box mit seinem Gravel Bike und der kompletten Ausrüstung. Ein Mitarbeiter von Lost & Found stellte dann zwar ein handgeschriebenes Formular aus, vergaß aber offenbar, es an die Airline weiterzugeben.
Die Folge war, dass Jonas zwei bange Tage lang keine Informationen bekommen konnte, wo sein Fahrrad geblieben war. Die gute Seite an diesem Tohuwabohu: In New York hatten wir nicht nur Gelegenheit, ein Exklusiv-Interview mit Jonas Deichmann zu führen, wir konnten, nachdem die Sachen dann endlich aufgetaucht waren, auch einen genauen Blick auf seine Packliste und sein Bike erhaschen, bevor es dann endlich Richtung Ostküste losging.
#Nach einem etwas verstolperten Start hat der Extremsportler einen Teil seines Rückstands schon wieder aufgeholt.
Aber der Reihe nach: Erst am Freitag, dem 30. Juni, nachdem Jonas einen Beitrag zum Thema auf Instagram gepostet hatte, meldete sich ein portugiesischer Follower mit Kontakten zur Airline. Und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Die Box war auf einem Gepäckwagen vergessen worden und dann in irgendeinem Büro gelandet – und dort geblieben.
#In den USA ist der Abenteurer noch nicht so bekannt, …
#… dennoch tragen schon erste Dörfer seinen Namen.
Interview: noch 5 Tage bis LA
Nun hat Jonas einen Teil der in NY verlorenen Zeit wieder aufgeholt und über Dreiviertel der Strecke von New York nach Los Angeles bereits hinter sich. Er befindet sich momentan in Utah, wo er auch mit der Hitze zu kämpfen hat, die derzeit über großen Teilen der USA liegt. Dorthin haben wir ihm ein paar Fragen geschickt, die er uns gestern beantwortet hat.
Rennrad-News: Wir haben auf deinem Instagram-Kanal gesehen, dass du mit der Hitze in Utah zu kämpfen hast. Auf welche Anzeichen deines Körpers achtest du und wie reagierst du? Hast du einen Notfallplan?
Jonas: Also ich teile mir halt das Wasser ein und habe auch Elektrolyt-Tabletten dabei. Ich gucke einfach, dass ich nicht komplett dehydriere. Was ich merken würde, ist, wenn Schwindelgefühle kommen, dann heißt es natürlich sofort anhalten.
Und ansonsten immer schön schnell in Bewegung bleiben, dann kühlt der Fahrtwind Und keinen Fehler machen. Einfach genau berechnen: Wann bin ich wo? Wann gibt es wieder eine Pause oder einen Schatten? Und was und trinken. Und dann funktioniert das auch.
Einen Notfallplan gibt es jetzt so nicht. Ich schaue, dass ich einfach keinen Fehler mache von der Berechnung her. Ich habe jetzt allerdings auch tatsächlich wegen der Hitze eine sehr, sehr abgelegene Gravel-Passage rausgenommen, weil es mir zu heikel ist, wenn man da irgendwie auch ein Defekt hat oder sowas, ist dann ganz alleine und so viel Wasser kann ich mich nicht mitnehmen. Dann ist man dann in einer sehr brenzligen Situation ohne Handyempfang und nix. Daher einfach gucken, dass ich ja nicht zu weit weg bin, jetzt irgendwie zwei Tage von der Zivilisation entfernt oder sowas, das wäre schlecht.
#Endlich Berge - in Utah freut sich Jonas über spannendere Landschaften und Begleitung,
#An seiner Ausrüstung würde Jonas nichts verändern.
#„Mir ist die USA aufgefallen als ein Land der extremen Gegensätze, in jeglicher Hinsicht, landschaftlich, kulturell, von den Leuten her.“
Wo bist du jetzt und was bisher das mental Anstrengendste auf deiner Radfahrt?
Ich habe jetzt über 4.000 km und noch so circa fünf Tage bis nach Los Angeles, also bald bin ich da. Zur mentalen Frage, da muss ich ganz klar sagen „die Prärie“. Einfach dieses ständige Schnurgeradeausfahren durch Maisfelder für tausende Kilometer.
Und ich fahre auch in die falsche Richtung. Ich habe meistens ziemlich einen Gegenwind gehabt. Und das gerade in Nebraska, da geht es einfach geradeaus, das ist sowas von monoton, da verändert sich gar nichts landschaftlich. Und das ist mental natürlich ziemlich schwierig.
Was war das Schönste?
Ja, das bisher Schönste war, als ich dann die Rocky Mountains vor mir gesehen habe und gewusst habe, ich habe die Prärie hinter mir und ab jetzt, ich kenne die USA ja schon, ab jetzt wird es einfach nur geil. Colorado, Rocky Mountains und Utah auch, ist alles wunderschön. Und ja, es ist schon so in den USA, dass alles bis zu den Rocky Mountains, östlich davon ist so landschaftlich und so weiter doch sehr bescheiden ist und sobald man dann die Rocky Mountains erreicht hat, ist einfach alles richtig, richtig toll. Also dieser Moment, wo man die Rockys sieht, der ist schon was Besonderes.
Was hast du heute morgen gedacht, als du dich auf das Rad gesetzt hast?
Ja, als allererstes habe ich mir heute Morgen gedacht, endlich wieder Rad fahren und habe mich gefreut auf die Canyons, die spektakuläre Landschaft, die heute kommt und bin auch sehr früh aufs Rad gestiegen, auch in der Hoffnung der Hitze ein bisschen zu entkommen.
Was wirst du in LA als erstes tun?
Wenn ich in L.A. ankomme, ist das allererste, was ich mache, einmal in den Pazifik reinzuspringen.
Würdest du wieder die gleiche Route nehmen?
Ein ganz klares Nein. Ich bin ja so ein wenig durch den Kornbelt, also den Maisgürtel der USA geradelt und das würde ich definitiv nicht noch mal tun, sondern ich würde ein bisschen eine südlichere Route nehmen, also ähnlich wie meine Laufroute, die wird landschaftlich ein bisschen attraktiver.
Und als Ergänzung noch: Immer von West nach Ost fahren, ist einfach deutlich einfacher mit dem Wind.
#Gegen die Hitze - genau berechnen, wann es wo wieder Getränke und Essen und Abkühkung gibt.
#Das Zelt wird nur (ganz) aufgebaut, wenn es sein muss.
Würdest du wieder die gleichen Sachen packen?
Ja, mit der Ausrüstung hat alles wunderbar geklappt und würde ich genauso alles wieder mitnehmen. Ich habe auch keinen Defekt gehabt. Also alles wunderbar.
Eine Frage aus dem Forum: Warum fährst du nicht mit normalen Packtaschen?
Na ja, Bikepacking ist ja viel schneller als mit normalen Packtaschen und auch viel aerodynamischer und leichter und angenehmer und einfach besser, wenn man schnell unterwegs sein möchte. Daher, ja, Packtaschen sind dann eher was für eine sehr komfortable Radreise, wo man einfach mehr Gepäck mitnehmen kann. Aber wenn man schnell sein will, dann immer Bikepacking.
Hast du eine neue Seite an den USA entdeckt?
Ich bin ja wirklich durch das absolute Backcountry (Hinterland) geradelt, wo keine Touristen vorbeikommen. Und ja, mir ist die USA so aufgefallen als ein Land der extremen Gegensätze, in jeglicher Hinsicht, landschaftlich, kulturell, von den Leuten her. Ich bin so herzlich aufgenommen worden. Und dann gibt es super liberale Leute und auf der anderen Seite auch wieder diese ultra konservativen Trumpanhänger. Daher: die USA ist ein so riesiges, vielfältiges Land. Das muss man einmal ganz gesehen haben.
Mit seinem Projekt sammelt der Motivationstrainer Spenden für World Bicycle Relief und unterstützt Kinder in Afrika. Es erscheinen ein Buch und Film über das Projekt und Deichmann tritt im Anschluss mehrsprachig als Vortragsredner auf.
Was möchtest du Jonas zur USA-Durchquerung sagen?
Hier lest ihr mehr über Jonas Deichmann auf Rennrad-News:
Die Union Cycliste Internationale (UCI) und ihr World Cycling Centre (WCC) haben kürzlich ihre Unterstützung für ein Radsportteam von Geflüchteten für die UCI-Radsportweltmeisterschaften angekündigt. Diese Meisterschaften werden vom 03. bis 13. August in Schottland ausgetragen.
UCI Refugee Cycling Team
Gründe, warum Menschen ihre Heimatländer verlassen müssen, gibt es auch 2023 mehr als reichlich. Um Athletinnen und Athleten auch unter diesen maximal erschwerten Bedingungen eine WM-Teilnahme zu ermöglichen, wurde das Refugee Cycling Team ins Leben gerufen. Bestehend aus fünf Rennrad-Athlet:innen (drei Frauen und zwei Männer) und einem Mountainbike-Fahrer leben alle Team-Mitglieder zurzeit in europäischen Gastländern, stammen aber ursprünglich aus Afghanistan, Syrien und Iran.
Diese Athletinnen und Athleten werden bei den kommenden UCI-Radsport-Weltmeisterschaften in einem schlichten weißen Trikot antreten, das von einem Partner der UCI, zur Verfügung gestellt wird. Auf dem Trikot steht die Aufschrift „Refugee Cycling Team“. Zwei der Mitglieder, Masomah Ali Zada und Ahmad Badreddin Wais, waren bereits Teil des IOC Olympic Refugee Team für die Olympischen Spiele in Tokio 2020.
Die Disziplinen
Die fünf Rennrad-Fahrer:innen werden bei den UCI Gran Fondo-Weltmeisterschaften und den UCI-Straßenweltmeisterschaften antreten. Mohammadreza Entezarioon aus Iran wird im Cross-Country-Marathon (XCM) und den Cross-Country-Olympic (XCO) Rennen an den Start gehen.
Refugee Cycling Team für die UCI-Radsport-Weltmeisterschaften 2023
Herkunftsland
Gastland
Rennrad
Masomah Ali Zada
stammt aus Afghanistan
lebt in Frankreich
Zahra Ali Zada (Masomah’s Schwester)
stammt aus Afghanistan
lebt in Frankreich
Frozan Rasooli
stammt aus Afghanistan
lebt in Frankreich
Amir Arslan Ansari
stammt aus Afghanistan
lebt in Schweden
Ahmad Badreddin Wais
stammt aus Syrien
lebt in der Schweiz
Mountainbike
Mohammadreza Entezarioon
stammt aus Afghanistan
lebt in Deutschland
Die Wahl des Refugee-Status
Gemäß den UCI-Regeln (Artikel 1.1.033) können Sportler:innen, die in ihrem Wohnsitzland als Geflüchtete anerkannt sind (von den zuständigen staatlichen Behörden oder dem Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen – UNHCR), zwischen der sportlichen Staatsangehörigkeit, die ihrer Staatsangehörigkeit entspricht, wählen oder als „Geflüchtete“ für alle Zwecke im Zusammenhang mit Radsportveranstaltungen klassifiziert werden. Die Fahrer:innen, die Teil des Refugee Cycling Teams sind, haben diesen Prozess durchlaufen und die Wahl getroffen, nicht mehr der Nationalen Föderation ihres Staatsbürgerschaftslandes anzugehören, sondern an Radsportwettbewerben unter dem Status als Geflüchtete teilzunehmen.
Unterstützung für Geflüchtete
UCI-Präsident David Lappartient äußerte sich erfreut über die Möglichkeit, Athleten mit Flüchtlingsstatus die Teilnahme an den UCI-Radsportweltmeisterschaften zu ermöglichen.
Wir freuen uns, dass wir Athleten mit Flüchtlingsstatus die Möglichkeit bieten können, an den UCI-Radweltmeisterschaften teilzunehmen.
Er betonte zudem, dass diese sechs Sportler:innen während ihres gesamten Aufenthalts in Schottland finanzielle und logistische Unterstützung erhalten würden, um sicherzustellen, dass sie unter denselben Bedingungen wie Athlet:innen antreten können, die als Teil ihrer nationalen Delegationen an den Start gehen.
Meinung @ Rennrad-News
Die Teilnahme des Refugee Cycling Teams an den UCI-Radsportweltmeisterschaften ist ein großer Schritt in der Anerkennung und Integration von Geflüchteten in der internationalen Sportwelt. Dieses Team stellt nicht nur die persönlichen Erfolge und Talente dieser Athletinnen und Athleten ins Rampenlicht, sondern hebt auch die universelle Kraft des Sports hervor, Menschen zu vereinen und Barrieren zu überwinden.
Christoph Strasser hat vor kurzem beim Transcontinental Race 2023 das Double geschafft. Das Unsupported-Radrennen führte über fast 4.000 km mit rund 55.000 Höhenmetern von Belgien nach Griechenland. Wir zeigen sein Arbeitgserät, das Specialized S-Works Roubaix, und haben mit dem mehrfachen Race Across America-Gewinner über seine Ausrüstung und Unsupported Ultracycling gesprochen.
Rennrad-News: Hallo Christoph, die meisten kennen dich als „Mr. Race Across America“, jetzt hast du schon zwei Titel beim Transcontinental Race gewonnen. Beide Rennen gehen über mehrere tausend Kilometer. Was würdest du sagen, ist der größte Unterschied zwischen begleiteten Rennen wie dem Race Across America und dem unsupported Transcontinental Race?
Christoph: Ja, es gibt ganz, ganz viele Unterschiede. Der größte Unterschied ist natürlich sicher der, dass man beim Transcontinental Race wirklich selbst für alles die Lösung finden muss, selbst alles managen muss. Das ist der offensichtliche Unterschied. Es bedeutet: Ich muss mich um mein Gepäck kümmern, also um das Material, das man mitnimmt. Ich muss mich unterwegs um Pannen kümmern, beim Rad Kleinigkeiten reparieren, ob es jetzt Bremsbeläge sind, die zu wechseln sind, oder die Kette nachzubehandeln ist oder Reifenpannen, oder Schlauch wechseln – was auch immer anfällt, ich muss es selbst erledigen.
Diashow: Christoph Strasser Interview & Bike: „Abwiegen im wörtlichen Sinne“
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#Christoph Strasser auf seinem Arbeitsgeräzt für das Transcontinental Race 2023 - da sah das Specialized S-Works Roubaix noch strahlend neu aus.
Und dann natürlich noch die ganze Strategie. Beim RAAM (Race Across America) habe ich meine Betreuer, die für mich die Entscheidungen treffen. Machen wir jetzt Pause oder fahren wir weiter? Wann muss ich essen und trinken? Wir haben ein genaues Protokoll.
Das muss ich dagegen bei einem Unsupported Race alles selbst machen. Das heißt, ich muss auch immer einen klaren Kopf haben, um den Überblick zu behalten über die Strecke, über die Navigation, dass ich nicht vergesse zu essen und zu trinken, dass man früh genug einkaufen geht, wenn das Essen und Trinken knapp wird, dass man, wenn man in der Nacht fährt, für einige Stunden Proviant an Bord hat, weil man unterwegs natürlich nicht mehr einkaufen kann in der Nacht, die sperren ja die Geschäfte zu.
Und auch der Begleitwagen fehlt. Ich kann nur eine kleine Menge mitnehmen. Das heißt, irgendwie muss man echt abwiegen, also im wörtlichen Sinne, wie viel Gewicht und wie viel Platz man noch zur Verfügung hat mit den Taschen. Wieviel Schlechtwetterkleidung kann ich mitnehmen? Vielleicht eine zweite Hose zum Wechseln wegen der Hygiene im Sitzbereich, aber grundsätzlich ist das extrem limitiert. Ich kann mich nur für einige wenige Worst-Case-Szenarien vorbereiten.
Und beim RAAM hat man unendlich viel Platz. Da kannst du Laufräder mitnehmen, da kannst du Schläuche mitnehmen, da kannst du literweise Flüssignahrung mitnehmen, da kannst du fünf Schlechtwetter-Garnituren an Bekleidung mitnehmen.
#Strasser gewann 6 Mal das RAAM und nun schon 2 Mal das Transcontinental Race - die fehlende Unterstützung macht für ihn beim Unsupported den größten Unterschied, aber auch das Schlafen.
Und dann ist es noch ein großer Unterschied von der körperlichen Belastung her. Viele sagen auch, dass unsupported härter ist, weil du eben alleine unterwegs bist und alles alleine checken musst. Aber ich muss sagen, ein RAAM ist definitiv körperlich härter, weil man einfach mehr Distanz und eine höhere Geschwindigkeit hat. Aber es ist nicht so kompliziert. Man kann, wie gesagt, die ganze Kopfarbeit ans Betreuerteam abgeben.
Und beim Unsupported muss man natürlich auch mehr schlafen. Der Schlafentzug ist bei Weitem nicht so schlimm. Ich habe zum Beispiel beim Transcontinental 3 Stunden pro Nacht geschlafen. Das heißt, die erste Nacht bin ich durchgefahren und die letzte Nacht bin ich durchgefahren. Und beim RAAM sind es halt so 50 Minuten, maximal eine Stunde, die ich schlafe. Und dadurch ist natürlich die psychische Belastung viel größer, und die körperliche Belastung ist auch viel größer,
Boah, jetzt bin ich im Flow, jetzt möchte ich endlich einmal durchziehen.
Dafür hat man beim Unsupported oft den Gedanken, „boah, jetzt bin ich im Flow, jetzt möchte ich endlich einmal durchziehen. Aber: Du musst die Beleuchtung anmachen, du musst dich umziehen, du musst die Warnweste anziehen, du musst einkaufen gehen, du musst Luft aufpumpen oder was auch immer. Du musst immer wieder mal rasten oder denkst, ich würde gerne fahren, aber ich muss jetzt wieder stehen bleiben, weil wieder etwas zu erledigen ist.
#Auf dem Aero-Auflieger verbringt Strasser nur rund 50% der Zeit, sagt er.
#Genug zu Trinken, um nicht so oft anhalten zu müssen - 4 Flaschen sind an Rahmen und Sattel.
#Schlafen in der Bus-Haltestelle? - dieses Jahr so wenig wie möglich, sagt Strasser.
Wie viel Essen nimmst du dann mit, also wenn du dann einkaufen gegangen bist, hast du dann auch extra viel Essen mitgenommen?
Ja, alles, was geht. Man versucht üblicherweise, so wenig wie möglich stehenzubleiben. Ich hab’ zum Beispiel vier Trinkflaschen an Bord. Zwei Flaschen sind noch extra an meinem Sattel, neben der Satteltasche. Und man macht alle vier Trinkflaschen voll. Vielleicht nicht immer. Wenn man gerade in den Alpen unterwegs ist, macht man trotzdem nur zwei Flaschen voll, weil es überall Brunnen gibt.
Und beim Essen nimmt man halt alles mit, was passt. Trikottaschen vollstopfen, wenn Platz ist in der Satteltasche alles vollstopfen, damit man halt nicht so oft stehenbleiben muss.
Und ich habe am Start immer ein paar Riegel eingepackt, die dann eher als Notfallproviant gedacht sind. Also wenn man irgendwo durchfährt, wo es so wenig Infrastruktur gibt, dass man quasi immer in den harten Phasen einen Notproviant mit dabeihat.
Hast du vorher geplant, wo du ungefähr Halt machen willst, also wo Infrastruktur ist und wo du stoppen willst, oder hast du das einfach vor Ort entschieden?
So gut es geht, kann man das planen. Man hat ja vorher seine Route – beim Transcontinental muss man selbst Routen planen – man hat also freie Streckenwahl bis auf ein paar vorgeschriebene Abschnitte. Und das hat natürlich zum Guten, dass man sich überlegt, wo es vielleicht schwieriger ist, was zu finden, und wo es permanent Möglichkeiten gibt, sich zu versorgen.
Wenn man zum Beispiel in Albanien unterwegs ist, ist da schon oft sehr viel Gegend.
Wenn man durch die Schweiz oder Österreich fährt, wird man nicht verhungern, aber wenn man in Albanien zum Beispiel unterwegs ist, da ist schon oft sehr viel „Gegend“, wo man nichts kaufen kann, wo einfach nur kleine Dörfer sind, die teilweise auch sehr verlassen sind oder wo wenig Menschen wohnen. Und da hat keine Tankstelle offen, kein Geschäft offen. Da weiß man schon vorher, wenn man in diese Gegend kommt, braucht man einen guten Vorrat.
Apropos verlassene Gegenden, hat es da mal Probleme mit Hunden oder solche Sachen?
Das war heuer weniger. Das war voriges Jahr ganz schlimm in Rumänien. Da musste man wirklich sehr aufpassen. Und deshalb habe ich vor dem Transcontinental mit einem Hundetrainer geübt – geübt ist etwas übertrieben –, aber zumindest geredet, damit ich verstehe, wie ein Hund denkt, wie er funktioniert. Was ist der Instinkt? Was will der eigentlich und warum ist er aggressiv und warum verfolgt er einen Radfahrer und wie kann man da am besten gegensteuern?
#Strasser fährt SPD-SL Rennrad-Schuhe - für ihn zählt die größere Kontaktfläche.
#Das Cockpit ist voll - zwei Geräte sind dran, um einfach zum Laden umstöpseln zu können oder schneller neu zu planen.
#Der Supernove M99 Dy Pro Scheinwerfer (Mitte) wird vom Nabendynamo gespeist - falls er ausfällt, ist ein zweites Licht vorgeschrieben, hier das Supernova Airstream 2 Akku-Licht.
#Gesehen werden ist Alles - hinten ist ein Garmin Varia Radar und ein mehrfaches Licht Back-up vorhanden. Eine Warnweste ist Pflicht.
Es ist wirklich so: Es ist ein unangenehmer Moment, aber wenn man von hinten angegriffen wird, muss man stehen bleiben und vom Rad absteigen und nicht flüchten. Dann geht der Jagdinstinkt sofort verloren und sie beruhigen sich und schließlich bellen sie nur noch und dann gehen sie wieder weg. Und wenn du versuchst davonzufahren, dann werden sie umso angriffslustiger.
Das war zum Beispiel so eine Lernerfahrung. Für wirkliche Notfälle hätte ich einen Pfefferspray dabei gehabt, das habe ich aber niemals gebraucht. Das war nur für mich als kleines Sicherheitsplus wichtig.
Das heißt, du hast das auch so praktiziert mit dem Anhalten und Stehenbleiben und das hat auch funktioniert?
Der Moment ist halt schwierig, wenn 5 Hunde auf dich losspringen und dein innerer Instinkt sagt, ich muss flüchten.
Genau, so funktioniert das. Aber der Moment ist halt schwierig, wenn 5 Hunde auf dich losspringen und dein innerer Instinkt sagt, ich muss flüchten und du musst stehen bleiben und dich der Situation stellen. Das ist nicht so einfach.
Und die stehen dann da und bellen noch weiter?
Ja, genau, man soll dann auch sein Rad nehmen und quasi das Rad vor sich hinstellen. Du hast dann eine Schutzbarriere und sie beruhigen sich dann wirklich. Sie wollen dich im Prinzip testen, wie du reagierst. Und wenn du flüchtest, dann bist du ihre Beute, dann geht ihr Jagdinstinkt los und dann verfolgen sie dich.
#Vor dem Rennen ließ sich Christoph von einem Hundetrainer beraten.
Wenn du dann langsam weiter spazierst, also wirklich vielleicht 100 Meter gehst und erst dann wieder langsam aufs Rad aufsteigst und langsam weiterfährst, dann deeskaliert das Ganze.
Wie siehst du die Wahrnehmung von Unsupported Races inzwischen in Deutschland und Österreich? Würdest du sage das ist gleichbedeutend mit einem Gewinn des Race Across America?
Es ist schwer zu sagen. In den großen Medien wird es ein wenig weniger wahrgenommen, weil es doch so eine Kombination ist aus Abenteuer und Radreise und Radrennen. In der allgemeinen Berichterstattung wird es beim Race Across America mehr Zuspruch geben, weil es ein eindeutiges Radrennen ist.
Und natürlich gibt es bei den Unsupported-Rennen dadurch, dass man keine Begleitung haben darf – das ist wirklich sehr, sehr streng gehandhabt – keine so guten Bilder von unterwegs, überhaupt keine Kameraaufnahmen, keine Fotografen. Das ist dann natürlich für die Berichterstattung etwas schwieriger, aber über die sozialen Medien und über diese GPS-Tracking-Plattformen, also das sogenannte Dot-Watching, da ist der Zuspruch riesengroß. Das verfolgen so viele Leute, das ist schon unglaublich. Der Unsupported-Sport und das Bikepacking, das ist gerade extrem beliebt. Man sieht es ja auch bei den Teilnehmerzahlen: Beim Race Across America starten 30 Personen und beim Transcontinental 350.
Wie viele schauen da so zu bei einem DotWatching? Weißt du das? Habt ihr da Zahlen?
Das kann ich nicht sagen, aber von den Reaktionen auf Social Media her und bei allen Teilnehmern gibt es sehr viele Kommentare. Es gibt viele Diskussionen und Austausch – das ist schon enorm.
Ich nehme in meinem Umfeld war, dass auf einmal Leute nicht mehr 100 km fahren, sondern jetzt gehört es einfach zum guten Ton, mehrmals im Jahr 200 km zu fahren oder auch mal 300 km. Ich habe das Gefühl, 200 km ist das neue 100 km. Siehst du das auch so? Ich meine, du hast natürlich eine ganz andere Perspektive darauf, aber für mich als normalen Rennradfahrer stellt sich das so dar.
Ja, es ist einfach so, dass generell das Thema Langstrecke und Bikepacking, Touren, auch teilweise Urlaub oder Radreisen stark im Kommen ist. Das ist halt echt gerade eine sehr begrüßenswerte Entwicklung. Das hat, glaube ich, mit der Pandemie angefangen, als plötzlich Urlaube nicht möglich waren und die Leute dann gesagt haben, dann fahre ich halt mit dem Rad und pack meine Taschen und bin auf Tour.
Wie ist das bei dir? Also hat das auch einen, sag’ ich mal, touristischen, touristisch klingt jetzt so nach Strandurlaub, aber hat so ein Self-Supported-Race für dich auch noch einen touristischen Charakter oder ist das vollkommen Wettkampf…
Für mich ist es schon ganz klar ein Wettkampf. Doch. Aber es ist natürlich unglaublich faszinierend zu erleben, wo man so überall unterwegs ist. Das Transcontinental ist ja auch deswegen so beliebt, weil es immer von Belgien aus startet, und das Ziel ist immer unterschiedlich und eigentlich immer in Südosteuropa. Das heißt, man durchquert irgendwie Europa und man bekommt einfach mit, wie sich die Mentalität, die Menschen und die Landschaft und die Architektur verändern.
Für mich ist es schon ganz klar ein Wettkampf.
Also man startet halt auf Pflastersteinen in Belgien, da gibt es rote Backsteinhäuser und man durchquert die Alpen und kommt dann irgendwo in Südosteuropa an, mediterranes Klima, da sind schon viele Moscheen statt katholischer Kirchen und die Menschen – das ist ein unglaublich schönes Erlebnis, wenn man diesen Prozess miterlebt, wie sich Land und Leute verändern.
Ja, okay, also das nimmst du schon wahr.
Absolut, ja. Das ist unglaublich. Zum Beispiel: Albanien ist so ein faszinierendes Land. Es hat so unglaublich schöne Landschaften und so unglaublich schöne Berge. Das kennen aber die wenigsten. Wer macht schon Urlaub in Albanien? Das sind Wenige.
Also jetzt zu deiner Ausrüstung, ich hatte sie mir im Vorfeld ja schon etwas angeschaut. Du fährst keine MTB-Schuhe, mit denen man auch gut gehen kann, sondern das SPD-SL-System vom Rennrad, mit dem man – sagen wir – „so lala“ gehen kann. Dabei muss man ja viel gehen beim Transcontinental, auch mal Schieben …
Das ist eine gute Frage und eine berechtigte Frage. Für mich gibt es ein paar Gründe. Erstens, ich habe maßgefertigte Schuhe, weil ich extrem breite Füße habe. Also mein Fuß passt in keine normalen Schuhe hinein. Und meine maßgefertigten Schuhe sind Rennradschuhe. Und ich kann jetzt nicht permanent neue Schuhe machen lassen. Auch wenn sie von Specialized bezahlt sind. Aber Specialized hat auch extra Carbon-Sohlen für mich entwickelt. Und die sind auf das Rennrad-System angepasst.
#Zum Schluss war das Equipment ganz schön mitgenommen - die Sohlen haben deutliche Spuren von den Geh-Passagen.
#Ein S.O.N. Nabendynamo liefert die Energie für das Zubehör.
#Bei Tag wird zwischen den verschiedenen „Bedürftigen“ umgestöpselt.
#Die Griffkörper der Dura Ace-Schaltung werden zusätzlich gepolstert.
#Der Dura Ace-Antriebsstrang braucht nach dem Ziel dringend Pflege.
#Die Taschen werden unterwegs bis zur Grenze vollgestopft - die Nähte haben natürlich nicht gehalten.
Der Hauptgrund aber ist eigentlich die Größe der Schuhplatte. Also, wenn man auf SPD-Mountainbike-Pedale drückt, hat man einen kleinen Druckpunkt. Auch wenn theoretisch die Schuhsohle zu 100 % steif ist und sich der Druck theoretisch verteilt, in der Praxis ist es trotzdem so, dass ich heute bei langen Distanzen mit SPD-Pedalen – die habe ich ganz früher mal gehabt – irgendwie Probleme kriege mit den Nerven. Also Druckstellen. Weil sich halt die ganze Kraft auf einen Punkt konzentriert.
Und fürs Rennrad gibt es die Shimano SPD-Platten, das sind die größten. So wird die Krafz auf ganz große Flächen verteilt und das ist wichtig, denn vielen von den Problemen beginnen in den Füßen.
Ich bin ja ein Rennradfahrer und es ist dann so, als ob du mit unrasierten Beinen fährst
Und letztlich kommt dazu: Ich bin ja ein Rennradfahrer und es ist dann so, als ob du mit unrasierten Beinen fährst oder mit dem Mountainbike-Sonnenschirmchen am Helm. Das sind halt ein bisschen ästhetische Fragen. Das ist vielleicht ein blödes Argument, aber trotzdem: Für mich gehört Rennradfahren mit Rennradschuhen irgendwie zusammen. So wie man sich die Beine rasiert. Es gibt aber viele, die fahren mit Mountainbike-Schuhen und unrasierten Beinen. Das ist dann halt Geschmackssache.
Gerade beim Transcontinental Race gibt es auch viele, die mit unrasierten Beinen fahren. Aber unterwegs hast du ja nicht mehr die Beine rasiert, nehme ich mal an?
Nein, das ist schlecht.
Bleiben wir bei den Schuhen. Ich habe auf den Bildern gesehen, du hast die Cleats ziemlich weit zurückgestellt. Hast du irgendwann am Anfang deiner Karriere mal ein Bikefitting gemacht und das so eingestellt oder bist du Schritt für Schritt darauf gekommen? Was ist da der Hintergrund?
Ja, ich habe schon einige Bike-Fittings gemacht in meinem Leben, aber ich habe mich nicht nur hundertprozentig darauf festgenagelt, sondern beides genutzt, auch nach Gefühl meine Position gefunden. Und ich habe immer gemerkt, wenn ich mit den Schuhen weiter nach vorn komme, – also so weit ich mit den Cleats zurückgehe, so weit gehe ich ja mit den Schuhen nach vorn – dann habe ich einen besseren Druck am Pedal.
Das ist, glaube ich, beim Triathlon auch ganz deutlich zu sehen. Triathleten sitzen meistens ganz vorn am Sattel, der Sattel geht nach vorn, die Schuhe gehen nach vorn. Und im Straßenradsport ist das halt verboten. Da gibt es ja die UCI-Richtlinie, dass der Sattel hinten sein muss, auf Millimeter und auf Grad genau die Neigung festgelegt. Was ziemlich daneben ist in meinen Augen, aber das ist ja das Reglement.
Aber ich glaube die natürliche Sitzposition in der Zeitfahrposition am Auflieger ist, dass man etwas nach vorn möchte. Ich habe einfach gemerkt, dass ich mich viel wohler fühle, habe keine Probleme mit dem Rücken und habe erstens mehr Wohlgefühl und zweitens einen besseren Druck am Pedal.
Du hast es gerade erwähnt, du fährst auch mit Auflieger bei so einem Long-Distance-Rennen. Wie viel Zeit würdest du jetzt sagen, bem Transcontinental-Race, verbringst du auf dem Auflieger und wie viel normal am Lenker?
Ja, es ist gar nicht so viel am Auflieger. Ich glaube maximal die Hälfte der Zeit. Ich habe die Schaltknöpfe nicht am Aufleger montiert, sondern außen am Lenkgriff. Du musst Schalten, du musst Bremsen, du hast immer wieder was zu tun, du isst, du trinkst, du tippst am Garmin-Computer herum und dann ist man immer wieder mal vom Auflieger herunten. Auch für die Sitzposition ist es gut zu wechseln. Immer wieder mal. Und auch für die Hände. Eingeschlafenen Finger zum Beispiel sind immer wieder ein Thema, es hilft da unterschiedliche Positionen mit den Armen und Händen einzunehmen.
Eingeschlafene Gliedmaßen – das ist nicht nur für Hobbyradler ein Thema, sondern das ist für dich auch bei Langstreckenrennen ein Thema?
Ja, das ist immer wieder ein Thema. Ich glaube, das betrifft jeden. Das kommt nicht nur durch die Sitzposition, es kann natürlich auch durch die Halswirbelsäule kommen, dass die Nerven im Halsbereich quasi überstreckt werden oder beeinträchtigt werden.
Aber das kommt natürlich auch einfach von der Vibration von schlechten Straßen und vom dauernden Druck durchs Lenkergreifen.
Stichwort Vibration. Ich habe gesehen, du fährst ein Specialized Roubaix, was ja eine Vorbau-Federung hat. War das eine bewusste Entscheidung? Es gibt ja auch noch andere Bikes bei Specialized. Ich nehme an, du bist von Specialized gesponsert…
Ja, genau.
Da hättest du ja noch andere Räder nehmen können – viele fahren ja zum Beispiel das Diverge, die so Langstrecken-Sachen machen.
Ja, das Diverge ist ja deren Gravel-Rad. Auch wenn sich jetzt beim Transcontinental langsam die Frage stellt, ob es nicht bald ein Gravel-Rennen ist, wo viele Offroad-Passagen verpflichtend zu fahren sind, finde ich das Roubaix trotzdem großartig, weil es eben genügend Komfort bietet und trotzdem noch ein Rennrad ist.
Das Tarmac ist mir ehrlich gesagt zu wenig komfortabel für so ein Rennen. Es würden sicher alle drei Räder gut passen, aber lieber das Roubaix, weil es die Federung vorn drin hat, oder das Dämpfsystem, und trotzdem noch leicht genug ist, aber auch stabil genug für die ganzen Taschen. Oder zum Beispiel das Aethos, das ist noch leichter als das Tarmac. Da hätte ich Angst, dass es vielleicht zu filigran ist oder zu instabil, wenn man da noch 10 kg Gepäck mitnimmt.
Also du würdest auch im Nachhinein sagen, es war eine gute Wahl?
Absolut, ja.
Welche Reifen bist du gefahren?
In 28 mm, die Roubaix Pro von Specialized, die sind gar nicht unbedingt das Topmodell, aber sie sind sehr pannensicher. Und für mich ist der Schlauch immer noch das Einfachste zum Reparieren unterwegs. Zu Tubeless: Ich habe bei ganz vielen Fans oder Teilnehmern gehört, dass sie halt Tubeless dann doch größere Probleme gehabt haben und dann haben sie es nicht mehr dicht bekommen und dann musst du doch einen Schlauch einziehen oder irgendwie neue Reifen unterwegs besorgen.
Also, ich bin bei Tubeless nicht erfahren, ich habe das einmal getestet, und habe es wieder weggegeben.
Also ich bin bei Tubeless nicht erfahren, ich habe das einmal getestet, und habe es wieder weggegeben. Weil ich einfach sage, den Schlauch, gerade wenn man in Ländern unterwegs ist, mit schlechter Infrastruktur, kann man extrem leicht reparieren und da bin ich mir selbst immer sicher, dass ich das selbst lösen kann. Wenn es Probleme gibt bei Tubeless, kann es kompliziert werden, wenn einmal ein gröberer Schaden auftritt.
#Christoph setzt auf normale Clincher - im Notfall ist ihm das Tubeless-System nicht einfach genug.
Ich nehme an, du fährst mit Wattmessung, denn du hast eben gesagt, du hast die Erfahrung, dass du mehr Druck aufs Pedal bekommst in dieser Cleatposition…Guckst du da die ganze Zeit drauf oder wie muss ich mir das vorstellen?
Nein, absolut nicht. In den ersten 12 Stunden ist es sehr hilfreich für das Pacing, dass man nicht überzieht. Das passiert aber am zweiten Tag ohnehin nicht mehr. Am zweiten Tag bist du schon müde genug, dass du nicht mehr überziehen kannst. Und am Ende ist es vielleicht eine Motivation, dass du sagst, „Hey, so wenig Watts, da geht sicher mehr.“ Und damit kann man sich selbst vielleicht noch ein wenig pushen.
Grundsätzlich ist es eher interessant zum Auswerten im Nachhinein. Aber zum Steuern der Leistung unterwegs ist es nicht wirklich nötig.
Wo liegst du da am Ende von so einem Transcontinental Race mit der Wattleistung im Schnitt?
Ich muss ehrlich sagen, ich muss mir das für dieses Mal erst anschauen. Voriges Jahr kam es ziemlich genau auf 160 Watt Normalized Power am Ende. Und das ist eigentlich der gleiche Wert wie beim Race Across America.
Krass.
Nur mit dem Unterschied, dass man jetzt sehr viel Stehzeiten hat. Also, es ist nicht härter, weil man unterwegs selbst einkaufen muss und sich selbst um alles kümmern muss. Wenn du im Tankstellen-Shop stehst, 10 Minuten, sind das ja im Prinzip 10 Minuten Pause. Und dann schläft man ja auch mehr als beim RAAM, und so kann man natürlich wieder viel kraftvoller treten.
Also 160 Watt Normalized Power. Dann bist du natürlich beim RAAM schneller, weil du auch aerodynamischer auf dem Rad sitzt, denke ich mal?
Man ist aerodynamischer, genau. Ich habe beim RAAM ein Zeitfahrrad für die Ebene und ein Bergrad für die Berge, da hat man immer bestes Material und auch viel bessere Straßen. Beim Transcontinental hat man diese Offroad-Passagen, die von der Rennleitung vorgegeben sind. Im Rennen gibt es vier Abschnitte, die sogenannten Parcours. Die sind fix definiert, die muss man fahren und dazwischen hat man Freigaben. Und bei den Parcours ist eben sehr oft Schotter und Gravel drinnen. Das ist ein bisschen eine Scheiß-Idee, ehrlich gesagt.
Aber es ist eben dieser Mythos Transcontinental, dass man halt zwischendurch diese Offroad Passagen hat, wo man dann natürlich seine Bike-Handling-Skills auspacken muss oder das Rad schieben muss und da ist natürlich die Durchschnittsgeschwindigkeit sehr, sehr niedrig.
Auch mit den Rennrad-Cleats ist es dann nicht so toll, oder?
Ja, genau
Sind die dann kaputt gegangen oder haben die gehalten?
Nein, ich habe sie vor dem Rennen neu angeschraubt und die halten schon. Jetzt nachher kann man sich überlegen, ob man sie vielleicht wieder tauscht, aber ein paar Tage halten die schon durch.
Wie lädst du dein Equipment?
Also ich habe einen Nabendynamo im Vorderrad und in der Nacht den großen Scheinwerfer von Supernova, eine deutsche Firma, die ist wirklich großartig, die Lampe. Und das zweite Licht ist vorgegeben. Also man braucht aus Sicherheitsgründen zwei getrennte Systeme. Wenn eines ausfällt, brauchst du ein Zweites.
Ich habe einen Nabendynamo vorn im Vorderrad und in der Nacht den großen Scheinwerfer.
Und wir haben natürlich als zweites System eine Akku betriebene Lampe von Supernova, die kann man auch unterwegs mit einer Powerbank nachladen. Aber grundsätzlich ist der Scheinwerfer am Dynamo angeschlossen und danach geht der Strom quasi ins Licht und tagsüber kann ich dann mein Telefon und den Garmin nachladen und die Rücklichter sind ebenfalls USB-Akku-getrieben.
Und die lädst du alle am Tag nach. Lädst du dann erst eine Powerbank und dann darüber die Sachen oder direkt die Sachen?
Das ist im Prinzip egal. Man hat sowieso zu wenig Strom, also es ist nie alles ganz voll. Und wenn ich dann in der Nacht in einem Hotel übernachtet habe, dann habe ich dort nochmal schnell die Steckdosen genutzt und alles geladen, was tagsüber noch nicht 100 % voll war.
Letzte Frage. Ich habe ja auch schon mal mit Jonas Deichmann gesprochen. Findest du, wenn du dich mit ihm vergleichst, ist das ähnlich, was ihr macht? Müsst ihr ähnliche Menschen sein, also vom Charakter her? Es ist ja alles Ultracycling und es sind Wahnsinns Distanzen. Hast du ihn schon mal kennengelernt?
Nein, leider noch nicht persönlich. Ich kenne seine Kanäle und verfolge seine Unternehmungen mit großem Interesse. Ich denke, dass es ein deutlicher Unterschied ist, weil er halt einfach so unglaublich große Distanzen zurückgelegt in einem ganz anderen Zeitraum und ich schätze, bei ihm ist es doch ein bisschen weniger stressig. Er muss jetzt nicht in Hektik verfallen, wenn er mal fünf Minuten länger warten muss.
Und ich glaube, er muss noch mehr sein Tempo anpassen und seine Energie schonen für die Etappen vor ihm, um halt monatelang oder wochenlang seine Leistung aufrecht zu halten. Ich kann mich am Ende schon komplett verausgaben, wenn das Ziel näher kommt. Deswegen denke ich, für ihn ist es mehr Abenteuer, noch mehr Energie verwalten, Essen trinken. Umso schneller du fährst, umso exponentieller ist dein Energiebedarf. Und ich glaube, Jonas muss mehr darauf achten, dass er ökonomisch unterwegs ist.
Aber die Ausrüstung hat noch mehr Gewicht bei ihm, weil er ja für Wochen und Monate noch mit ganz anderem Gepäck an Bord ist. Und ich bin ja schon sehr reduziert aufs physisch Notwendige für acht Tage.
Ich habe euch beide gesehen, Jonas nach dem Laufen in Mexiko und dich jetzt nach dem Transcontinental Race auf Fotos auf Instagram und ihr seht beide sehr dünn aus. Wie viel verliert man da auf so einer Unternehmung an Gewicht?
Also, ich bin jetzt noch nicht abgewogen. Erstens geht es gar nicht so leicht, denn eine Waage ist immer ungenau. Und am besten wird man sich immer auf der gleichen Waage wiegen, damit man keinen Messfehler drin hat. Ich habe das aber beim Race Across America immer gemacht, da habe ich täglich Gewichtskontrolle gemacht, um zu schauen, ob körperlich alles passt. Es das sind im Schnitt 4 Kilo in 8 Tagen Körpergewicht, die weggehen.
Es sind im Schnitt 4 Kilo in 8 Tagen Körpergewicht, die weggehen.
Und wie viel das dann wirklich verbranntes Fett ist oder vielleicht auch nur dehydriert, ist jetzt nicht ganz so leicht zu sagen, aber ich glaube 4 Kilo sind ein guter Richtwert.
Würdest du sagen, vom Kopf her, gibt es da irgendeinen Punkt auf so langen Distanzen, an dem man sagen kann, wenn man 500 Kilometer Ultra-Distance schafft, dann schafft man auch 2000 km?
Ja, der Unterschied ist definitiv, wenn es mehrere Tage dauert, kommt der Schlaf hinzu. Und die Müdigkeit und der reduzierte Schlaf, das ist ein großer Unterschied. Körperlich ist es dann wahrscheinlich schon so, dass man sagen kann, wenn man zwei Tage fahren kann, kann man auch acht Tage fahren. Das schon. Die Leistungsfähigkeit ist im Prinzip da und dann geht es sehr früh über Ernährung. Es geht um Ernährung und darum, wie schafft man es, sein Kaloriendefizit zu decken.
500 Kilometer würde ich sagen, die kann man in einem Tag fahren, da ist dann der Schlafentzug kein Thema. Aber wenn es dann halt 2, 3, 4, 5 Tage dauert, muss man halt den Schlafrhythmus für sich finden und mit dem zurechtkommen, dass man halt sehr, sehr wenig schläft.
Da ändert sich natürlich im Kopf einiges. Da wird man schlecht gelaunt oder ungeduldig oder unkonzentriert und vergesslich. Das ist sicher eine Erfahrungssache. Wenn man das öfter macht, kann man das gut handeln. Wenn man das zum ersten Mal erlebt, ist es manchmal ziemlich komisch, wie man da drauf ist. Also, es ist auch quasi ein Umgang mit dem Schlaf.
Also ist es sozusagen auch ein Schlafwettkampf, ein Wettbewerb darin, sich selbst zu kennen und wie man mit Schlafmangel umgehen kann?
Absolut, genau. Wobei, es ist überhaupt nicht so, das ist mir wichtig zu betonen, dass weniger Schlaf besser ist. Sondern es ist auch so, dass man gut abschneiden kann, wenn man ausreichend schläft, jetzt im Bereich von 3-4 Stunden oder so, das ist ganz wichtig, weil man im Kopf klar ist, weil man mehr Tempo machen kann, weil man weniger Fehler machen wird und vor allem, weil man sicher auf der Straße unterwegs ist. Wenn man jetzt sagt, „okay, ich schlafe nur Powernaps, 20 Minuten oder eine Stunde pro Nacht“, wie ich das am RAAM mache, dann ist es zu 100 Prozent so, dass man langsamer ist, dass man gefährlich unterwegs ist, dass Sturzgefahr besteht und dass man wahrscheinlich Fehler macht in seinen Entscheidungen. Und das lohnt sich nicht. Und man wird schlussendlich deswegen eher langsamer, weil man körperlich komplett und vor allem im Kopf abbaut. Also das ist sicher ein ganz wichtiger Unterschied und ein wichtiger Tipp: Man soll nicht zu wenig schlafen.
Sehr spannend.
Im Endeffekt geht es, obwohl es ein Rennen ist, doch immer darum, sicher und gesund anzukommen. Durch Schlafentzug gefährdet man nicht nur sich selbst, sondern auch die andere Verkehrsteilnehmer.
Und da kommt dann noch ein Punkt dazu: Schläft man draußen? Das ist ja sehr oft so, dass man seinen Schlafsack und sich irgendwo hinlegt, in der Bushaltestelle für ein paar Stunden und dann weiter fort. Das habe ich auch gemacht, letztes Jahr, funktioniert super, aber in diesem Jahr bin ich, vor allem, weil es im Augenblick so viel Regen gab, eigentlich immer in einem Zimmer eingecheckt für drei Stunden. Das ist vielleicht nicht so romantisch, aber drei Stunden in einem Bett sind halt besser. Ja, ich habe dann schon gemerkt, dass ich am Ende des Rennens einfach immer noch fit war.
Geht das so problemlos? Hast du das auch vorher geplant mit dem Einchecken?
Ja, das geht. Ich habe mir das auch sehr schwierig vorgestellt, aber es geht. Also, das Reglement im Rennen verbietet es, im Vorfeld seine Unterkünfte zu buchen. Das heißt, man muss es wirklich tagsüber machen. Man überlegt halt, okay, es ist 7 Uhr am Abend und ich habe noch 5 Stunden. Dann überlegt man sich, okay, das werden vielleicht 120 Kilometer sein. Dann schaut man in der Booking-App, die ist ja sehr gut geeignet, wo ist im Umkreis von 100, 120 Kilometer hier die Möglichkeit, irgendwo einzuchecken. Dann bucht man das online und es geht eigentlich recht gut. Und dann noch kurz anrufen, „bitte Schlüsseln hinterlegen, ich komme spät und ich fahre früh“, und dann funktioniert das.
Gerade in Südosteuropa wird das immer einfacher eigentlich, denn da gibt es dann eh keine Rezeption mehr. Da sind die meisten Unterkünfte solche, die Privatleute vermieten. Und die sind rund um die Uhr erreichbar. Und in größeren Hotels in unserer Region ist das manchmal schwierig, weil du dann halt mit Reisepass einchecken musst und so weiter. Und das Radl wollen sie nicht, dass du es ins Zimmer mitnimmst und dann musst du noch an der Rezeption herumdiskutieren… Und in Albanien kommst du hin, und dir wird die Tür aufgemacht und dann bist du schon im Zimmer.
Oder Self-Check-In, das habe ich zum Beispiel in der Schweiz gehabt, Das ist auch das Allerbeste. Da gibst du den Code ein und kannst dich frei bewegen. Du musst niemandem erklären, worum es geht. Dann wirst du nicht noch eine Viertelstunde lang gefragt, warum und wieso und wohin. Wenn die Leute aus Interesse einfach wissen wollen, was du machst und höflicherweise mit dir reden, und eigentlich möchtest du nur, dass es schnell, schnell geht.
Danke für das Gespräch.
Ausführlich könnt ihr euch im Sitzfleisch Podcast von Christoph Strasser zum Thema Ultracycling informieren, zum Transcontinental Race gab es letztes Jahr 10 Folgen. Sitzfleisch auf Apple | Sitzfleisch auf Spotify
Was würdet ihr Christoph gerne fragen – wir leiten die Fragen gerne weiter?
Hier lest ihr mehr zu Ultracycling auf Rennrad-News
Für Normalsterbliche wäre eine Gravel-Tour von New York nach Los Angeles (5.400 km in 26 Tagen) schon ein strammes Programm. Nicht so für Jonas Deichmann. Nachdem er Ende Juli die US-Westküste erreicht hatte, startete er joggend wieder nach New York und hat nun die ersten 1.500 km hinter sich.
Von der Ost- zur Westküste – und wieder zurück
Mit dem Gravelbike startete Jonas seine Reise in New York und radelte rund 5.400 km quer durch die USA bis nach Los Angeles. Dort angekommen, tauschte er sein Fahrrad gegen Laufschuhe und einen Anhänger fürs Gepäck und bereitete sich auf den zweiten Teil seiner Respekt einflößenden Mission vor.
#Ziel der Radtour und Start der Laufstrecke - am Santa Monica Pier gings los.
Start am Santa Monica Pier
Am 27. Juli begann der Laufabschnitt am Santa Monica Pier. Ursprünglich von einer Gruppe von Läufer:innen begleitet, fand sich Jonas bald allein. Ein Grund? Eine extreme Hitzewelle hat den Westen der USA fest im Griff. Besonders in der Mojave-Wüste zeigte das Thermometer schwindelerregende 45° C. Und als ob das nicht genug wäre, machten riesige Waldbrände entlang der geplanten Route – der legendären Route 66 – einen Strich durch Jonas Rechnung. So musste der „Deutsche Forrest Gump“ kreativ werden, die Strecke anpassen und sicherstellen, dass er nicht ohne Wasser in der Wüste endet.
#Sin City ist schon abgehakt, weiter ging es Richtung Rocky Mountains.
Beeindruckende Meilensteine
Mittlerweile hat Jonas Las Vegas hinter sich gelassen und ist auf dem Weg durch das atemberaubende Monument Valley. 1500 Kilometer sind bereits abgehakt, und die Rocky Mountains sind zum Greifen nah.
#Leider noch nicht: Die New-York Leuchtreklame in Vegas bietet eine passende Fotokulisse.
#… unerbittliche Herausforderungen an den Extremsportler.
Ein Blick zurück auf seine beeindruckenden Leistungen
Jonas ist kein Neuling, wenn es um extreme sportliche Herausforderungen geht. Er hält Rekorde für die Durchquerung von drei großen Kontinenten mit dem Rad:
Eurasien von Portugal nach Wladiwostok in nur 64 Tagen
Die Panamericana von Alaska nach Feuerland in 97 Tagen
Vom Nordkap bis nach Kapstadt in rekordverdächtigen 72 Tagen
Und wenn das noch nicht beeindruckend genug ist, hat er 2020/21 die Welt im Triathlon umrundet und dabei die 120-fache Ironman-Distanz zurückgelegt. In Mexiko etwa ist Jonas ein Star, dem sich auf seiner Tour dort Tausende Menschen anschlossen.
Mit seinem Projekt sammelt der Extremsportler und Motivationstrainer Spenden für World Bicycle Relief. Es erscheinen ein Buch und Film über das Projekt, ferner plant Jonas im Anschluss an sein Abenteuer mehrsprachig als Vortragsredner aufzutreten.
Wenn nicht gerade Gravel-Rennsaison ist, muss der Texaner Payson McElveen sich halt seine Herausforderungen selbst organisieren. Nach der allerersten Island-Durchquerung am Stück im Jahr 2021 war nun die australische Insel Tasmanien an der Reihe: 580 Kilometer, Küste zu Küste, von Arthur River zur Bay of Fires.
Jonas Deichmann hat „Trans America Twice“, seine zweifache Amerika-Querung abgeschlossen: Nachdem er mit dem Fahrrad den Kontinent von Ost nach West durchquert hatte, machte er am Atlantik kehrt und nahm sich die über 5.000 Kilometer noch einmal per Pedes vor, um zum Abschluss auch noch den New York Marathon anzugehen.
Quer durch die USA – und zu Fuß zurück
Das Jonas Deichmann seine Qualitäten als Ausnahmesportler längst bewiesen hat, steht außer Frage. Seine Marathon-Projekte, die er auf dem Rad, zu Fuß oder gar schwimmend angeht, sind legendär und haben ihm mehr als einen Weltrekord eingebracht. Sein neustes Projekt „Trans America Twice“ hat jetzt sein Ende gefunden – nachdem er Ende Juli mit dem Gravel-Bike L.A. erreicht hat, hat er für die Laufstrecke zurück von der West- zur Ostküste 100 Tage gebraucht. Am 04. November endete das Projekt im Big Apple – mit der Teilnahme am New York Marathon.
Ich bin überglücklich wieder in New York zu sein. Den Traum einmal quer durch die USA zu rennen, hatte ich schon sehr lange und musste bei meinem Triathlon um die Welt noch aufgrund von Grenzschließungen auf Mexiko ausweichen. Das jetzt zu komplettieren ist einfach großartig.
Anfang Juli startete Jonas nach einigen kleinen Widrigkeiten – sein Bike ging beim Flug vorübergehend verloren – zum Duathlon-Mammut-Projekt „Trans America Twice“. Das Ziel war dabei eine zweifache Durchquerung der USA. Einmal von New York nach Los Angeles mit dem Gravel-Bike und das Ganze dann wieder laufend mit Trailer im Schlepptau zurück. Fast 11.000 km und über 84.000 Höhenmeter galt es dabei zu überwinden. Während er für die erste „Etappe“ 26 Tage braucht, waren für den Rückweg 100 Tage nötig, um wieder im Big Apple anzukommen. Am 04. November war es so weit und Jonas Deichmann konnte sein Projekt erfolgreich abschließen.
#Vom Santa Monica Pier ging es dann mit Trailer im Gepäck zu Fuß zurück.
Tägliche Ultramarathons unter extremen Bedingungen
Nachdem seine Gravel-Route zu ihrem Ziel an der US-Westküste kam (wir berichteten: L.A. erreicht – Laufstrecke steht an) führte ihn der Rückweg wieder über knapp 5.500 km zurück nach New York. Seine tägliche Reiseroutine glich dabei einem Ultramarathon, der durch seinen mitgeführten Trailer, in dem sein Gepäck wie Zelt und Wechselklamotten verstaut wurden, nicht einfacher wurde. Auch nicht, nachdem der Trailer einen Defekt erlitten hatte, und Jonas sein Gepäck zeitweise auf dem Rücken tragen musste, bis Ersatz beschafft war.
#Die Mojave-Wüste gilt nicht umsonst als lebensfeindlicher Ort.
#Jonas passierte die Wüste in Kalifornien auch noch während einer Hitzewelle.
#Die gute Laune hat er trotz allem nicht verloren.
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Die Route selbst natürlich nicht zu vergessen: Hier wurde ihm einiges abverlangt. Sie führte ihn durch die extremen Klimabedingungen der Mojave-Wüste bei Temperaturen von bis zu 50° C, durch das Monument Valley, über die hohen Pässe der Rocky Mountains und durch die monotonen Weiten der Prärie. Insbesondere in der Mojave und im Mittleren Westen wurde ihm dabei nach eigener Aussage alles abverlangt. Er verlor über 10 kg Körpergewicht auf der Route – und verschliss neun Paar Laufschuhe.
#Auch Bergpässe in den Rocky Mountains galt es zu bezwingen.
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#Im Osten der USA erwartete Jonas dann der Indian Summer.
Es war definitiv eines der härtesten Projekte, die ich bisher gemacht habe. Körperlich war vor allem die Mojave-Wüste inmitten einer Rekordhitzewelle und Temperaturen bis zu 50 Grad eine Grenzerfahrung. Mental eher der Mittlere Westen mit 2.000 Kilometern auf schnurgeraden Straßen durch endlose Maisfelder, und extreme Monotonie.
Jonas Deichmann
#In Begleitung einiger Fans und Supporter läuft Jonas hier die letzten Meter seiner doppelten USA-Durchquerung zurück zum Startpunkt im New Yorker Stadtteil Brooklyn.
#Geschafft – fast 11.000 km und über 84.000 Höhenmeter liegen hinter Jonas. Herzlichen Glückwunsch!
Zum Dessert: Den New York Marathon
Im Anschluss an seine erfolgreiche USA-Durchquerung zu Fuß lief Jonas dann noch den am 04. November stattfindenden New-York-Marathon mit, nach 3:58:48 kam er ins Ziel.
Wer von euch hat beim „Trans America Twice“ mitgefiebert?
Infos: Jonas Deichmann Adventures | Bilder: Jonas Deichmann, Sammy Deichmann, Corinne Hunziker, Markus Weinberg
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